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Einig, dass man sich in Fragen zur Privatheit uneinig ist. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (lins) und US-Außenminister John Kerry.

© AFP

Washington-Besuch von Frank-Walter Steinmeier: Für Amerikaner und Deutsche ist privat nicht das Gleiche

Schon vor dem Treffen in Washington gab Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu, dass er in Sachen NSA nicht allzu viel erwarte. Angesprochen hat er das Thema zwar. Am Ende steht aber fest: Er und John Kerry haben „unterschiedliche Verständnisse der Privatheit“. Dagegen soll nun ein "Cyberdialog" helfen.

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Gleich hinter dem Benjamin-Franklin-Saal im US-Außenministerium liegt die Küche. Hier werden heute Schokotörtchen und Canapés arrangiert. Nebenan, im Monroe-Separee, tafeln der deutsche und der amerikanische Außenminister. Sie beraten das Schicksal der Ukraine, tauschen ihre Ratlosigkeit zur Zukunft Syriens aus und freuen sich ihrer Einigkeit im Nahost-Prozess. Auch der Geheimdienst NSA kommt auf den Tisch. 90 Minuten hat sich der US-Außenminister für den deutschen Kollegen genommen.
Nach dem Lunch stellen sich die beiden Männer im Benjamin-Franklin-Saal unter Kronleuchtern der Presse. Frank-Walter Steinmeier genießt den Augenblick. Lässig lehnt er sich auf sein Redepult, schlenkert sein Bein. Steinmeier ist zu Hause in der Weltpolitik. Man muss doch nur auf die Ukraine blicken, wo er mit seinen Verhandlungen in der vergangenen Woche das Blutvergießen gestoppt hat Jetzt ist er in Washington, um bei der Chefin des Weltwährungsfonds (IWF) die finanzielle Zukunft Kiews auszuloten. Auch um den Amerikanern zu erklären, wie sich das mit dem deutschen Ärger über die amerikanische Spionage verhält, führt Steinmeier Gespräche. Wer, wenn nicht er, der überzeugte Transatlantiker? Er ist wieder da. Steinmeier, der Staatsmann, der Krisenmanager. Der Weltpolitiker.

Das Wort "NSA" kommt nicht zur Sprache

Auf dem Terminplan stehen US-Außenminister John Kerry und IWF-Chefin Christine Lagarde. Am Abend wird er die Senatorin Dianne Feinstein treffen. Am Freitagmorgen gibt es ein Treffen mit John Podesta, Obamas Mann im Weißen Haus für die kniffligen Fragen. Dann hält der deutsche Außenminister eine Rede beim renommierten Think Tank „Brookings“. Darunter macht einer wie er es nicht. Deutschland erwartet von seinem Außenminister, dass er ein Ende der Überwachung Deutschlands durch den US-Geheimdienst fordert. Er erhoffe sich davon nicht viel, hieß es allerdings von Steinmeier schon vor dem Treffen in Washington. Ansprechen werde er das Thema natürlich. Aber eine Entschuldigung für die Spionage werde es gewiss nicht geben, auch kein No-Spy-Abkommen.

Kerry ist das Thema längst leid. Als Geste des guten Willens stellt er es bei der Pressekonferenz trotzdem an den Anfang seiner Worte. Deutschland und die USA verbinde eine enge, jahrzehntealte Freundschaft. Man könne miteinander offen reden. „Und wir haben heute offen über einige derzeit bestehende Spannungen gesprochen“, sagte Kerry. Wie schon vor drei Wochen, als Kerry in München die „transatlantische Renaissance“ ausgerufen hatte, fiel aber auch in Washington das Wort „NSA“ nicht.

„Unterschiedliche Verständnisse der Privatheit“

Steinmeier setzte die NSA an das Ende. Das Vertrauen zwischen den beiden Ländern und die enge Zusammenarbeit an den internationalen Krisenherden ermöglichten eine offene Diskussion. Die Freundschaft halte Konflikte aus. „Wir haben über die Berichterstattung gesprochen“, sagte Steinmeier. Dabei hätten beide Minister gesehen, „dass es unterschiedliche Verständnisse der Privatheit gibt“. Dies müsse man diskutieren. Dafür hat Steinmeier einen Vorschlag: Deutschland und die USA werden künftig einen „Cyberdialog“ führen. Er hoffe, dass die beiden Länder auf diesem Weg Gemeinsamkeiten in der Frage des Schutzes der Privatsphäre „definieren können“. Wer erwartet habe, er käme mit einem No-Spy-Abkommen in der Tasche nach Deutschland zurück, befand Steinmeier, dem müsse er sagen: „So einfach ist es nicht.“

Die Affäre ist an ein Gremium delegiert. Und der deutsche Außenminister freut sich, dass Kerry diesen Dialog, seinen Vorschlag, aufgenommen hat. Es ist ein zahmer Auftritt. Für klarere Worte suchte sich Steinmeier ein anderes Forum. Bei „Brookings“ sagte er, was Edward Snowden enthüllt habe, habe das Vertrauen der Freunde Amerikas derart erschüttert, dass es alle anderen Themen gefährde. Dabei gehe es nicht um die Enthüllungen, sondern um die Praktiken an sich.
Ob sich die Überwachungsaffäre mit einem Cyber-Dialog auflösen lässt, wird sich zeigen. Auch wenn demnächst Angela Merkel dem Präsidenten Barack Obama einen Besuch abstattet. Einen Termin Anfang Mai wollte eine Regierungssprecherin in Berlin nicht bestätigen. Das No-Spy-Abkommen sei immer noch erreichbar, der Gesprächsfaden nicht abgerissen. Sie schränkte aber gleich ein: „Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass wir in absehbarer Zeit zu einer einvernehmlichen Lösung kommen.“

Die Opposition reagierte empört. Es sei „ungeheuerlich“, dass die Regierung Spionage gegen deutsche Bürger und Unternehmen „einfach hinnimmt, nichts unternimmt und damit ihren Amtseid verletzt“, sagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi. Ähnlich äußerte sich Christian Lindner, Parteichef der FDP. Die deutsche Reaktion komme „faktisch einer Kapitulation gleich“. Innenpolitiker von Union und SPD dagegen wollen wegen der Verweigerung der US-Regierung gegen ein Abkommen nun die Möglichkeiten der deutschen Geheimdienste stärken, auch Spionageaktivitäten der Partner aufzudecken.

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