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Politik: Washington hat - zumindest verbal- seine Fundamentalopposition gegen das Gericht aufgegeben

Unerwartet zuversichtlich sind sie aus New York zurückgekehrt. Westeuropäische Diplomaten, die gemeinsam mit den anderen UN-Mitgliedsstaaten drei Wochen lang über Einzelheiten des Internationalen Strafgerichtshofs ("International Criminal Court", ICC) beraten haben, sind zufrieden: über Tempo und Qualität der Debatten wie über eine merkliche Veränderung im Ton der amerikanischen Delegation.

Unerwartet zuversichtlich sind sie aus New York zurückgekehrt. Westeuropäische Diplomaten, die gemeinsam mit den anderen UN-Mitgliedsstaaten drei Wochen lang über Einzelheiten des Internationalen Strafgerichtshofs ("International Criminal Court", ICC) beraten haben, sind zufrieden: über Tempo und Qualität der Debatten wie über eine merkliche Veränderung im Ton der amerikanischen Delegation. Diese hat ihre Fundamentalopposition gegen das 1998 in Rom ins Leben gerufene Gericht aufgegeben - zumindest in ihrer Rhetorik.

Während dieser zweiten von insgesamt drei Sitzungsperioden der ICC-"Vorbereitungskommission" in diesem Jahr konnte Einigkeit über 80 bis 90 Prozent der "Verbrechenselemente" der Kriegsverbrechen erzielt werden, ist aus Delegationen der EU-Staaten zu hören. Es geht dabei um die genaue Definition der Delikte, die in die Zuständigkeit des Gerichts fallen sollen, um das Kleingedruckte zu den schweren internationalen Delikten: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen. Vor allem die Kriegsverbrechen sind ein schwieriges Thema. Aber selbst da gab es Fortschritte; nur was die Ansiedlung der eigenen Bevölkerung in besetzten Gebieten betrifft, gab es erbitterte Gegensätze zwischen den arabischen Staaten auf der einen und Israel und den USA auf der anderen Seite. "Einen Kompromiss in dieser Frage kann es kaum geben", sagt ein westeuropäischer Diplomat, "denn eine solche Ansiedlung, wie Israel sie praktiziert, ist eindeutig rechtswidrig und daher als Kriegsverbrechen eingestuft worden. Aber wir hoffen auf den Nahost-Friedensprozess. Wenn es da vorangeht, kann Israel vielleicht dem ICC-Statut doch noch zustimmen."

Im Mittelpunkt des Interesses standen in New York aber die USA. In Washington hatte es im Juli einen "policy review" gegeben. Diese Neuformulierung der eigenen Position gibt dem US-Delegationsleiter David Scheffer, der in Rom und danach das ICC-Statut vehement attackierte, die Möglichkeit größerer Flexibilität. Delegierte aus den EU-Staaten interpretieren dies als Versuch der Clinton-Regierung, die Isolation des Nein-Sagers zu überwinden. Der ICC, gegen den Konservative unter Führung des republikanischen Senators Jesse Helms Sturm laufen, werde auch ohne die USA kommen. Da sei es besser, Klauseln auszuhandeln, die ein Ja der USA ermöglichen. Kern des US-Vorschlages, wie er in bilateralen Gesprächen in New York vorgebracht wurde, ist eine "bindende Erklärung", dass US-Soldaten in internationalen Einsätzen nicht unter die Rechtsprechung des Strafgerichts fallen sollen. Als "etwas unklar" bezeichnen Diplomaten den Vorstoß, der noch nicht schriftlich vorliegt. Zweierlei Recht kann es nicht geben, eines für die USA und eines für den Rest der Welt. Immer noch nicht lassen sich die Vereinigten Staaten überzeugen, dass ihre Soldaten kaum belangt werden könnten, weil der Sicherheitsrat ein gewisses Blockaderecht bei einer Strafverfolgung hat, und weil das Gericht "komplementär" ist, also nur eingreift, wenn nationale Gericht nicht willens oder in der Lage sind, internationale Verbrechen zu ahnden. Trotz der Genugtuung über die Veränderungen in Washington dämpfen europäische Diplomaten zu große Euphorie. Ihnen ist noch nicht klar, ob nur aus taktischen Gründen der Ton der USA sanfter wird oder ob die Wende substantiell ist.

Die Menschenrechtsorganisationen machen sich Sorgen. Sie haben in New York die Delegationen der ICC-Befürworter bekniet, nicht einzuknicken. Auch sie sähen die USA gerne mit im Boot, warnen aber davor, auf Washingtons Druck hin die Substanz des Strafgerichts zu schwächen. Sie berichten von direktem amerikanischen Druck, insbesondere auf Länder, die von der Hilfe oder dem Schutz der USA abhängig sind. Aber nach den ersten informellen Reaktionen aus der EU dürfte es ein Abweichen vom Fundament des Rom-Vertrages nicht geben. "84 Staaten haben den ICC-Vertrag unterschrieben", sagt ein Diplomat, "vier haben ihn ratifiziert - und zwar diesen Vertrag, nicht einen anderen Vetrag über ein schwächeres Gericht." Was bedeutet: Wesentliche Abstriche wird es am ICC-Vertrag von Rom nicht geben. Entsprechend unwahrscheinlich ist vorerst ein Ja des ICC zum Strafgericht.

Paul Stoop

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