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Nach Mord: Washington in Sorge um Pakistan

Nach dem Mord am Gouverneur von Punjab machen sich die USA vermehrt Sorgen um Pakistan. Der Nachbarstaat Afghanistan habe direkte Auswirkungen auf den Erfolg des dortigen Nato-Einsatzes.

Washington - Die zunehmende Gewalt und machtpolitische Instabilität in Pakistan bereitet den USA immer größere Sorgen. Die Regierung sieht direkte Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten des Nato-Einsatzes im Nachbarland Afghanistan, die Sicherheit westlicher Soldaten und ziviler Helfer sowie die Erfolgsaussichten im Kampf gegen Al Qaida und die Taliban. Am Dienstag war Salman Taseer, Gouverneur der wichtigen Provinz Punjab, ermordet worden. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach von einem „großen Verlust“; sie habe Taseer „für seinen Geist der Toleranz“ bewundert. Kurz zuvor war die pakistanische Regierungskoalition zerbrochen.

Das Attentat auf Taseer ist nach Analyse der US-Medien ein neuer Beleg für die religiöse Radikalisierung in Pakistan. Sie erschwert die amerikanische Einflussnahme auf ein Land, das früher als verlässlicher Verbündeter galt, aber nun immer mehr zum Zentrum der Unruhen in der Region wird. Taseer war einer der wichtigsten Vertreter des säkularen Flügels in der Regierungspartei PPP. Er warb für religiöse Toleranz und Kooperation mit dem Westen. Mutig hatte er sich für die Abschaffung der Blasphemiegesetze eingesetzt, die hohe Strafen für vermeintliche Herabsetzungen des Islam vorsehen. Sie stammen aus den siebziger Jahren, sollten damals die religiösen Parteien besänftigen, ihren Widerstand gegen die säkulare Militärführung mindern und das Volk unter dem Motto einer islamischen Nation einen. Religiöse Parteien hatten zum Widerstand gegen Taseer aufgerufen und öffentlich Bilder und Puppen, die ihn darstellen, verbrannt.

Im Lichte dieser Entwicklung bewerten außenpolitische Experten im Weißen Haus auch den Bruch der Regierungskoalition nun pessimistischer. Zunächst hatten sie die Hoffnung, das Bündnis werde wieder zusammenfinden. Nun warnen Mitarbeiter im Weißen Haus, der Bruch könne endgültig sein. In jedem Fall seien die Chancen für die Verabschiedung mehrerer Reformen, auf die die USA drängen, darunter eine Modernisierung des Steuersystems, drastisch gesunken.

US-Fachleute warnen auch vor den Folgen für das Nachbarland Afghanistan. Sie haben Pakistans Regierung und vor allem den Geheimdienst im Verdacht, ein doppeltes Spiel zu betreiben: Offiziell stünden sie auf der westlichen Seite gegen Al Qaida und die Taliban; tatsächlich hielten sie Kontakt zu den Taliban, unterstützten sie heimlich und warnten sie vor militärischen Schlägen der Nato. Denn sie erwarten, dass die Taliban nach dem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan wieder an die Macht gelangen. Dann möchte Pakistan Einfluss auf sie haben. Die USA hatten von Pakistans Regierung verlangt, die Kontrolle der Fraktionen im Geheimdienst, die mit den Taliban sympathisieren, zu verschärfen. Doch wenn die Regierung nun alle Energien auf ihren eigenen Überlebenskampf richtet, hat der Geheimdienst weitgehend freie Hand.

Pakistan war 2010 auch erstmals das lebensgefährlichste Land für Journalisten weltweit. Von den 44 Reportern, die letztes Jahr ums Leben kamen, starben acht in Pakistan. Christoph von Marschall

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