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Politik: Washington vor dem Wechsel

Der Präsidentschaftswahlkampf der Kandidaten wurde mit einem Klassiker geführt: der Verheißung des Wandels

Es war wieder einmal der Komiker Jon Stewart, der die Dinge entlarvte. In seiner populären Satire-Nachrichtensendung „The Daily Show“ zeigte er Ausschnitte vom Nominierungsparteitag der Republikanischen Partei. Deren Präsidentschaftskandidat John McCain kündigte an, nach einem Wahlsieg in Washington D. C. aufzuräumen: Die Bürger müssten wieder im Zentrum der Politik stehen, und Probleme müssten gelöst werden, statt sie künftigen Generationen zu hinterlassen. Dafür sei es nötig, einen grundlegenden Wandel der Art herbeizuführen, wie in der amerikanischen Hauptstadt regiert wird. „Der Wandel kommt“, so die Botschaft von McCain. Nicht nur Stewart kamen solche Sätze bekannt vor. „Change“ – Wandel oder Veränderung – ist die zentrale Botschaft von Barack Obama, und sie stand auch im Zentrum der Rede, die er wenige Tage vor McCain beim Parteitag der Demokraten gehalten hatte: Nach acht Jahren „nicht funktionierender Politik in Washington und der gescheiterten Politik von George W. Bush“, sei es an der Zeit, Amerika zu verändern. „Der Wandel, den wir brauchen, kommt nicht aus Washington. Der Wandel kommt nach Washington“, verkündete Obama.

Auch solche Sätze kamen Jon Stewart bekannt vor. Es folgte ein Videoclip eines anderen Präsidentschaftskandidaten, der ebenfalls angetreten war, den Wandel zu bringen: Nach acht Jahren Bill Clinton sei die Nation „bereit für Wandel“, und er selbst werde „Höflichkeit und Respekt“ zurück ins politische Geschäft bringen, so George W. Bush im Jahr 2000. Man könnte noch weiter zurückgehen: „Wandel“ gehört seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Versprechen im US-Wahlkampf. John F. Kennedy versprach 1960, im Namen der „neuen Generation“ von Amerikanern das Land wieder in Bewegung zu bringen. Bill Clinton forderte 1992, dass die Art, wie in Washington regiert werde, sich fundamental ändern müsse: „Es ist Zeit für Veränderungen.“

Dass sich Amerikaner eine andere Politik wünschen, zeigt die niedrige Zustimmung zu Präsident Bush, die seit vielen Monaten um die 30 Prozent liegt. Mit der Arbeit des Kongresses ist sogar nur jeder fünfte Amerikaner zufrieden. Es hat seit der Gründung der USA Tradition, eine sehr kritische Sicht auf die Bundesregierung und die Hauptstadt zu werfen. Nach Wirtschafts- und Sozialreformen der Progressives zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber mehr noch durch den New Deal von Franklin D. Roosevelt und durch Reformprogramme Demokratischer Präsidenten wie Lyndon B. Johnson wuchs die Kritik an „Washington“, das immer mehr zum Synonym wurde von „big government“ und Geldverschwendung, von Lobbyismus und Korruption. In seiner Antrittsrede im Jahr 1981 behauptete Ronald Reagan, die Regierung sei nicht die Lösung für Probleme, sondern selbst das Problem. Vier Jahre zuvor war Jimmy Carter explizit als jemand angetreten, der nicht zum Establishment der Hauptstadt gehörte. Dass er auch während seiner Amtszeit nicht dazugehören wollte, war ein Hauptproblem seiner Präsidentschaft. Im Jahre 2000 verwies George Bush immer wieder darauf, dass er seine Erfahrungen in der Politik außerhalb Washingtons gemacht habe, was ihn zu einer anderen Art von nationalem Politiker mache.

John McCain hat nach Barack Obama nun ebenfalls Wandel auf seine Fahnen geschrieben und wurde dafür auf dem Parteitag bejubelt. Das mag überraschen, schließlich sitzt seit acht Jahren ein Republikaner im Weißen Haus, und die Partei dominierte von 2002 bis 2007 auch den Kongress, dem McCain seit 1982 angehört. Doch McCain versucht, sein Image als unabhängiger Kopf, als Maverick, zu kultivieren, der sich in wichtigen Fragen gegen Partei und Präsidenten gestellt und mit den Demokraten kooperiert hat. Er sei keiner, so seine Kandidatin für das Vizepräsidentenamt, Sarah Palin, der mit der „Washingtoner Herde“ renne. Dieses Image ist sein großes Pfund vor allem außerhalb der republikanischen Stammwählerschaft, auch wenn die Demokraten nicht müde werden darauf zu verweisen, dass er in 90 Prozent der Abstimmungen Bushs Politik unterstützt hat. Obama kultiviert ebenfalls seine „Andersartigkeit“, was zumindest mit Blick auf seine Hautfarbe zutrifft: Er sei schon allein von der Abstammung her nicht der typische Kandidat für die Präsidentschaft, und er habe sein Berufsleben nicht auf den „Korridoren von Washington“ verbracht.

Die populäre und problematische Verteufelung des Politik-Establishments und „Washingtons“ findet sich in beiden Parteien. Doch die Finanz- und Wirtschaftskrise in den USA bringt ein anderes Element der amerikanischen „Ideologie“ zum Vorschein, das sich ebenfalls durch die Geschichte zieht: Bei Naturkatastrophen oder wirtschaftlichem Niedergang rufen auch US-amerikanische Bürger und Unternehmen nach „dem Staat“.

Der Autor ist Professor am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikas

Weiteres zur US-Präsidentschaftswahl auf Seine 8.

Andreas Etges

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