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Washington: Wie unser Korrespondent Obama im Weißen Haus erlebt

Christoph von Marschall begleitet Barack Obama seit dem Wahlkampf 2007. Als einziger deutscher Zeitungsjournalist hat er einen "White House Hard Pass" und weiß deshalb, wie die Abläufe im Weißen Haus sind.

Manchmal kann man ihn beobachten, wie er in den Rosengarten vor dem Oval Office tritt, um frische Luft zu schnappen. Oder ihn mit Hund Bo auf die South Lawn gehen sehen, die große Wiese auf der Südseite des Weißen Hauses, wo auch der Hubschrauber abhebt, wenn der Präsident verreist. Oder zuschauen, wie First Lady Michelle Obama und ihr Mann Barack unter einem Baum sitzen und einer Kinderschar aus einem Buch vorlesen und sie lachend beim Eierlauf zu Ostern anfeuern. Oder dabei sein, wenn die First Lady den Spaten in die Hand nimmt, um mit Grundschülern im Frühjahr den Kräuter- und Gemüsegarten am Westrand der Südwiese anzulegen und im Herbst zu ernten.

Das sind seltene Einblicke, selbst für einen Korrespondenten, der einen „White House Hard Pass“ hat – und damit Zutritt zur Machtzentrale der USA. Das Leben des Präsidenten und seiner Familie spielt sich, erstens, in Etagen und Flügeln des Weißen Hauses ab, in die Journalisten keinen Einblick haben; und, zweitens, wenn die Obamas mal aus dem Haus treten, tun sie es auf dessen Südseite. Die Bewegungsfreiheit der Medienvertreter beschränkt sich auf den Nordwestflügel im Erdgeschoss und wenige Kellerräume darunter. Dort befindet sich ebenerdig der Briefing Room, in dem Obamas Sprecher das White House Press Corps nahezu täglich über die wichtigsten Ereignisse informiert – und wie der Präsident darauf reagiert. Daran schließt sich eine kleine Zahl von dicht aneinander gepressten Räumchen mit Schreibtischen für die Nachrichtenagenturen, Rundfunksender und ausgewählte Zeitungen an; weitere befinden sich ein Stockwerk tiefer. Sie gleichen eher Sardinenbüchsen als Büros und haben keine Fenster, schon gar nicht nach der Südseite des Weißen Hauses. Es bedarf eines besonderen Anlasses oder einer Einladung zu einer Veranstaltung, damit ein ausländischer Korrespondent in den Rosengarten gelangt oder in die Flure und Räume des Weißen Hauses, die über Südfenster verfügen, aus denen man einen Blick erhaschen kann.

Ab und zu kommt der Präsident in den Briefing Room, um persönlich seine Sicht darzulegen; wenn überhaupt, wird das erst kurz zuvor angekündigt. Und alle paar Monate gibt er eine Pressekonferenz, zumeist im großen und prächtigen East Room, der Platz für mehr als 300 Zuhörer bietet. Dann kann man die Folgen der enormen physischen Belastung sehen, die dieser Job mit sich bringt: Wieder sind ein paar graue Haare dazugekommen, und die Linien in seinen Gesichtszügen haben sich tiefer eingegraben.

Der Briefing Room mit der blau-weißen Silhouette des Weißen Hauses an der Wand hinter dem nußbaumfarbenen Rednerpult hat 49 Sitze. Sie tragen bis auf einen die Namensschilder der wichtigsten US-Medien. Dieser eine, vierte Reihe links außen, ist für die ausländischen Korrespondenten reserviert, die sich in der „Foreign Press Group“ im Weißen Haus organisiert haben. Das ist eine Neuerung aus diesem Jahr. Davor gab es für Ausländer nur Stehplätze.

Obama kommt selbst, wenn es ihm besonders wichtig ist, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Am 5. April 2011, als der Streit mit den Republikanern um die Kürzungen im Haushalt beinahe zur Schließung der Regierung geführt hätte, malte er beredt die Folgen für die Bürger aus. Am 10. Dezember 2010 tauchte er überraschend mit Bill Clinton auf. Der warb für Obamas Steuerkompromiss mit den Republikanern, der viele Demokraten schmerzte. 2009, an seinem 48. Geburtstag, kam Obama mit einem Kuchen in den Briefing Room und gratulierte der Seniorin unter den Journalisten, die wie er am 4. August geboren ist. Für Helen Thomas war es der 89. Geburtstag. Am 11. Februar 2011 verabschiedete Obama dort seinen alten Pressesprecher Robert Gibbs und gab ihm eine Krawatte zurück, die er 2004 von ihm geliehen hatte: für seine Rede beim Parteitag 2004 in Boston.

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