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Politik: Wechsel ohne Wechselstimmung

TV-Duell, Prognosen, Koalitionen – der „Treffpunkt Tagesspiegel“ diskutiert den Wahlkampf

Von Sabine Beikler

Berlin - Der eine spricht nach dem TV- Duell vom „verstärkten Schröder-Faktor“, der andere sieht darin „Schröders Abschiedsvorstellung“. Matthias Machnig und Michael Spreng organisieren zwar den Wahlkampf nicht mehr, trotzdem sind die beiden früheren Wahlkampfmanager – Machnig für die SPD, Spreng für Stoiber – beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ im Berliner Hotel Intercontinental am Montagabend im Wahlfieber. Ihre Antworten fielen vor 250 Zuhörern auch immer „etwas anders“ aus.

So wollte der „Treffpunkt“-Moderator und frühere Berliner Wissenschaftssenator George Turner wissen, wie Schröder um „Vertrauen“ bei den Wählern werben könne, wenn er schon bei seinen eigenen Leuten kein Vertrauen mehr sehe. Machnig: Schröder habe ja von „neuem Vertrauen“ gesprochen. Nur er biete ergebnisorientierte Angebote, wie man Zukunftsfragen lösen könnte. Spreng: Dass die SPD mit dem Slogan „Vertrauen“ in den Wahlkampf gezogen ist, sei nach der durch „Vertrauensverlust“ begründeten Ankündigung von Neuwahlen ihr „strategisches Dilemma“. Und wenn die CDU „Glück“ habe, könne sie genau dieses Vertrauen bei den Wählern auch erwerben.

Doch SPD und CDU tun sich offenbar schwer damit, Inhalte zu vermitteln. „Beide Parteien haben es verschlafen, sich Gedanken über Grundsatzpositionen zu machen“, sagte Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Für diese „Trial-and-Error-Politik“ seien auch die „seltsam verteilten Rollen“ der Parteien verantwortlich. Die SPD führe einen Oppositionswahlkampf, „auch gegen sich selbst“, sagte Niedermayer. Und die CDU sei gezwungen, quasi schon als Regierungspartei Wahlkampf zu führen.

Die Wähler wollten einen Regierungswechsel, ohne dass wie 1998 „nach 16 Jahren Kohl eine echte Wechselstimmung“ vorliegt, konstatierte Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner. Nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen habe sich eine „resignative Wechselstimmung“ verbreitet. Dass die Aussicht auf eine Frau als Kanzlerin sich auf das Wahlverhalten auswirken könnte, negierten sowohl Niedermayer als auch Güllner.

Das Abschneiden der „kleineren Parteien“ wie FDP und Linkspartei werde für künftige Koalitionen entscheidend sein, sagte Niedermayer. Liegt die Linkspartei bei etwa sieben Prozent, werde es wahrscheinlich zu Schwarz-Gelb kommen. Käme die Linkspartei dagegen auf ein zweistelliges Ergebnis, dann werde eine große Koalition wahrscheinlich. Kaum positive Worte fand Niedermayer über die Liberalen: „Eines ihrer Probleme ist ihr Vorsitzender. Die Leute mögen ihn nicht.“ Die FDP sei eine „merkwürdige Partei“, sagte Güllner. Sie habe von allen den geringsten Stammwähleranteil. Spreng ergänzte, dass die Liberalen nach ihrer Koalitionsaussage lediglich als „Mehrheitsbeschaffer“ fungierten.

Ob es nach der Wahl doch zu einer rot- rot-grünen Koalition kommen könnte, wie ein Zuhörer fragte, verneinte Tagesspiegel-Redaktionsdirektor Gerd Appenzeller. Mit einer Einschränkung: „Für diese Legislaturperiode“, sagte Appenzeller. „Danach ist alles möglich, weil jede Länderkonstellation irgendwann auch einmal im Bund möglich ist.“ Man solle nur an das Beispiel Rot-Grün denken: Die erste war die rot-grüne Koalition ab 1985 in Hessen mit Joschka Fischer als Umweltminister. 13 Jahre später wurde Fischer der erste grüne Bundesaußenminister.

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