zum Hauptinhalt

Politik: Wegschauen hilft nicht mehr

Von Moritz Kleine-Brockhoff, Rangun Während sie spricht, starrt die 45-jährige Frau auf die Tischplatte. „Schreib meinen n bitte nicht, nenn mich Nan“, sagt sie.

Von Moritz Kleine-Brockhoff, Rangun

Während sie spricht, starrt die 45-jährige Frau auf die Tischplatte. „Schreib meinen n bitte nicht, nenn mich Nan“, sagt sie. Nan hat ein rundes Gesicht, kurze Haare und wenn sie nicht über Aids spricht, lächelt sie oft. Aber sie will über ihre Krankheit reden, was selten ist im ehemaligen Burma. „Vor drei Jahren habe ich erfahren, dass ich HIV-positiv bin. Aber ich habe das Virus schon viel länger, mein Mann hat mich angesteckt.“ Nan hatte gerade ihrem Mann geholfen, vom Heroin wegzukommen, als er starb. Das war Mitte der 90er Jahre.

„Damals wussten wir nichts von Aids. Der Arzt sagte, mein Mann sei an einer Lungenentzündung gestorben. Oder er hat sich nicht getraut, mit mir über Aids zu sprechen“, so Nan. Auch heute redet man in Myanmar wie in ganz Asien wenig über Aids und dem Erreger der Krankheit, dem HI-Virus. Aber „Aids lässt sich nicht mehr verschweigen, weil das Problem mittlerweile unübersehbar ist“, sagt Max Wey, der seit neun Jahren mit HIV-Patienten in der Hauptstadt Rangun arbeitet, „HIV hat sich rasend ausgebreitet.“

Myanmar gehört neben Thailand und Kambodscha zu den Ländern mit den höchsten HIV-Infektionsraten in Asien. Schon vor einem Jahr glaubte die UN-Agentur Unitas, dass in Myanmar mehr als 530 000 Menschen infiziert seien, rund ein Prozent der Bevölkerung. Bei einer Untersuchung von schwangeren Frauen wurden sogar rund 3,5 Prozent positiv auf das HI-Virus getestet. In den Risikogruppen der Drogenabhängigen und Prostituierten könnte der Prozentsatz der Infizierten noch höher sein. „Niemand kennt hier das wahre Ausmaß von HIV und Aids“, sagt ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation WHO, „Schätzungen sind oft politisch motiviert.“ Das Regime in Rangun ignorierte Aids lange Zeit, dann wurden ein paar Tausend Fälle eingeräumt. Im Juni haben sich Unaids, das HIV/Aids-Programm der UN, und die Junta sich auf eine Zahl geeinigt: 178 000 HIV-Fälle sind nun offiziell.

Nach Angaben der Asiatischen Entwicklungsbank gibt Myanmars Regierung nur 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Gesundheit und Bildung aus. „Ein schlechter Witz“, findet ein Diplomat in Rangun. Internationale Organisationen verteilen Kondome und Medikamente, versuchen, Aufklärungskampagnen zu starten. „Aber wir können nur hier und da ein wenig helfen, den Trend können wir nicht beeinflussen“, sagt ein Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation. In der vergangenen Woche warnten Mitglieder einer Asien-Pazifik-Arbeitsgruppe von Unaids: Der Trend in Asien sei der gleiche, den man zu Beginn der Epidemie in Afrika beobachtet habe. In Asien hat es 2001 eine Million neue Infektionen gegeben, 3000 jeden Tag.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false