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Selbst die persönliche Kleidung der Soldaten ist in schlechtem Zustand.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Wehrbeauftragter: Der Bundeswehr fehlt es an Personal und Material

Hans-Peter Bartels stellt der Bundeswehr ein alarmierendes Zeugnis aus. Gleichzeitig sind beim Beschaffungsamt 2000 Stellen unbesetzt.

Von Robert Birnbaum

Hans-Peter Bartels ist erkennbar hin- und hergerissen. Einerseits ist der Wehrbeauftragte des Bundestages so etwas wie der Protokollant der Mängel in der Bundeswehr, und speziell beim Thema Ausrüstung fällt die Sachstandsmeldung finster aus. Die 13 Auslandseinsätze, hält der SPD-Politiker in seinem Jahresbericht 2017 fest, stellten eine Überlastung für Mensch und besonders Material dar. „Die Materiallage bleibt dramatisch schlecht, an manchen Stellen ist sie noch schlechter geworden“, resümiert Bartels. Alle sechs U-Boote nicht einsatzfähig, alle 14 Transportflugzeuge vom neuen Typ A400M zeitweise gleichzeitig am Boden, Kampf- und Transportpiloten müssen ihre Trainingsstunden mühsam zusammenkratzen, kurz – eine einzige Ausfall- und Pannensammlung.

Das ist das Einerseits. Stünde es alleine da, müsste Bartels eigentlich die Verteidigungsministerin zum Zurücktreten aufrufen. Aber erstens dürfte die das im Moment gar nicht – Ursula von der Leyen ist wie die gesamte Regierung zur Geschäftsführung verpflichtet –, zweitens würde Bartels seine Kompetenzen überschreiten, drittens findet er Leyens Engagement für die europäische Verteidigung vorbildlich – und viertens gibt es das Andererseits. Die von der CDU-Politikerin eingeleiteten „Trendwenden“ bei Personal, Material und Finanzen seien richtig, räumt Bartels ein. Die Bundesregierung habe schon auch recht damit, dass die Zeit brauchten. „Die Verbesserung liegt im Bewusstsein der Defizite“, sagt er.

Selbst bei persönlicher Kleidung herrscht Mangel

Nur mache die Erklärung einer richtigen Absicht allein noch nichts besser. Bartels erkennt an, dass sich bei kompliziertem Großgerät die Beschaffung hinziehen kann. Umso weniger Verständnis zeigt er dafür, dass selbst bei der persönlichen Ausstattung für die Soldaten Mangel herrsche. Bekleidung oder Funkgeräte könne man doch eigentlich „aus der Portokasse“ beschaffen, kritisiert er und fordert „Fast-Track-Projekte“ für diese Kleinanschaffungen: „Klamotten zu kaufen, das kann nicht so lange dauern!“

Was die Bundeswehrführung denn hindere, wird er gefragt. „Schema F“, gibt Bartels zurück. Ganz generell herrsche in der Armee ein „Übermaß an Zentralisierung und Bürokratisierung“, schreibt er in seinem Bericht, den er am Dienstag seinem Auftraggeber Parlament übergab. Vom Prinzip des „Führens durch Auftrag“ bleibe in der Praxis dann kaum noch etwas übrig im Papier- und Vorschriftendschungel. Speziell im Beschaffungsverfahren werde noch viel zu wenig unterschieden zwischen Material, das schnell und unbürokratisch besorgt werden könnte, und den Großvorhaben.

Im Beschaffungsamt sind 2000 Stellen unbesetzt

Das Verteidigungsministerium gelobt an dem Punkt Besserung. Schon im Vorgriff auf Bartels Pressekonferenz verbreiten Mitarbeiter ein Zahlen- und Datenwerk, das belegen soll: Wir tun ja was. Im BAAINBw, dem Beschaffungsamt für die gesamte Armee, soll das Schema F aufgebrochen werden in unterschiedliche Verfahrenswege für Bagatell- und Großanschaffungen. Allerdings fehlt es dort nach wie vor an Personal, gut 2000 Stellen sind unbesetzt. Die Neuanschaffungen an gepanzerten Fahrzeugen, Fluggerät und Schiffen gehen deutlich schneller und in größerer Zahl als früher durchs Parlament, aber davon merkt die Truppe noch nichts. „Wir sind definitiv nicht am Ziel“, wird auch im Ministerium eingeräumt. Doch die Vollausstattung aller Einheiten sei auch erst für 2030 angepeilt.

Bis Juni sei die Ausrüstung garantiert da

Eins aber wollen von der Leyen und ihre Leute nicht auf sich sitzen lassen: den Eindruck, die Bundeswehr könne nicht mal mehr ihre Nato-Pflichten erfüllen. Der war durch Berichte entstanden, in denen von maroden Panzerbeständen und fehlender Winterausrüstung für die Nato-Eingreiftruppe die Rede war, die vor allem an der Ostgrenze zügig auf Bedrohungen reagieren soll. Generalinspekteur Volker Wieker widerspricht: Die Berichte gäben eine Art Schnappschuss der heutigen Lage wieder, um zu schauen, was noch fehlt. Aber die Truppe müsse erst Ende Juni komplett stehen, und bis dahin garantiere er, dass alles da sei.

Dass diese Einheit wie schon einmal 2015 auf Heldenklau-Aktion gehen und sich ihr Material in der ganzen Armee zusammensuchen muss, nennt Wieker normal. Einsatztruppen bestünden nie aus den gleichen Einheiten wie die Friedenstruppe, sondern würden nach Maß zusammengestellt. „Das ist ein ganz normaler Vorgang“, betont der oberste Soldat.

Der General ist nicht zufrieden mit der Einsatzbereitschaft

Der Wehrbeauftragte, darauf angesprochen, zuckt die Schultern. Wenn Wieker zusage, dass bis Jahresmitte die Eingreiftruppe ausgestattet sei, dann werde das schon seine Richtigkeit haben. „Es fehlt dann aber anderswo.“ Das kann auch Wieker nicht leugnen. „Natürlich haben wir einen Stand der Einsatzbereitschaft, der noch nicht zufriedenstellend ist“, sagt der General. Aber gegen den eingeschlagenen Kurs spreche das nicht: „Wo stünden wir denn, wenn wir die Trendwenden bei Personal, Material und Finanzen nicht eingeleitet hätten?“

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