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Politik: Weiche zum Schrottplatz

Die Bahn verkauft alte Eisenbahnwaggons nicht an Wettbewerber – die Grünen prangern Verschwendung an

Von Matthias Meisner

Berlin - Für die einen ist es die Verschleuderung von Volkseigentum, für die anderen unternehmerische Freiheit: Die Grünen prangern an, dass die Deutsche Bahn AG 1000 intakte Waggons der seit Jahren nicht mehr genutzten Interregio-Zugreihe verschrotten will – und das, obwohl andere Bahnen für den Einstieg in neue Verkehrsangebote dringend gebrauchtes Zugmaterial benötigten. Die Bahn dagegen pocht darauf, dass sie als privatwirtschaftliches Unternehmen das Recht habe, mit ihrem Eigentum nach unternehmerischen Gesichtspunkten umzugehen.

Die Weichen hat der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, schon vor Jahren gestellt. In einem als „streng vertraulich“ gekennzeichneten Vermerk vom 30. August 2004, der dem Tagesspiegel vorliegt, gab Mehdorn für die Verwertung von Altfahrzeugen eine klare Weisung. Nach dieser Richtlinie, die erst jetzt bekannt wurde, werden sowohl Güterwaggons wie auch Personenwaggons, die nicht mehr benötigt werden, „aus technischen, wirtschaftlichen und wettbewerblichen Gründen nicht an Dritte veräußert“. Zur Begründung heißt es, die für den Konzern mit einer Veräußerung verbundenen technischen und wirtschaftlichen Nachteile würden den Vorteil der Verkaufserlöse überwiegen.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, wirft der Bahn vor, sie tue alles, um Konkurrenz auf der Schiene zu behindern, und das „hart am Rande der Legalität“. Nach seiner Darstellung hat die Bahn inzwischen in Chemnitz bereits 130 Interregio-Waggons verschrottet. Darunter sollen auch mehrere teure Bistrowagen sein, bei denen auch ein Verkauf ins Ausland denkbar gewesen wäre. Hermann fordert, die Bahn solle nicht mehr benötigte Infrastruktur in einer Tochterfirma, die in Bundeseigentum bleiben müsse, gleichberechtigt allen interessierten Bahnunternehmen zur Verfügung stellen. Die in Rede stehenden Waggons seien weitgehend aus öffentlichen Geldern finanziert worden, die Bahn dürfe sie jetzt nicht „wie ein x-beliebiger Konzern“ vernichten. Nach einer Modernisierung könnten die Eisenbahnwaggons und auch die Lokomotiven noch zehn bis 20 Jahre eingesetzt werden, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel am Sonntag. Systematisch verhindere die Bahn, dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt – und das, obwohl die Anteile des Fernverkehrs auf der Schiene seit der Einstellung des Interregio-Verkehrs vor gut drei Jahren rückläufig seien.

Für die Bahn ist die Kritik „nicht nachvollziehbar“. Ihr stellvertretender Konzernsprecher Volker Knauer betont: „Natürlich stehen wir im Wettbewerb.“ Die Bahn müsse als Aktiengesellschaft selbst entscheiden können, was sie mit ihren nicht mehr genutzten Waggons mache. Einzelne von ihnen würden ins Ausland verkauft, andere eben verschrottet – und manche in Reserve gehalten. Denn auch bei der Bahn weiß man nie: Deshalb werden einige der schon ausrangierten Interregio-Züge jetzt zur Fußball-WM noch einmal auf die Reise geschickt. Womöglich aber ist es für die einst so erfolgreichen Züge nur der letzte Einsatz vor dem Weg zum Schrottplatz.

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