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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr für Europäer öffnen.

© dpa

Weißbuch zur Sicherheitspolitik: Fremdenlegion? – Aber nein!

Verteidigungsministerin von der Leyen will die deutschen Streitkräfte für Soldaten aus anderen EU-Ländern öffnen, um den Personalmangel zu beheben. Doch es gibt Widerspruch.

Von Robert Birnbaum

Die Ministerin winkt ab: Eine Fremdenlegion? Aber nein! Ursula von der Leyen zieht ein Gesicht, als wollte sie sagen: Wie kann man bloß auf so was kommen! Man kann darauf aber durchaus kommen, wenn man am Mittwoch das soeben vom Kabinett verabschiedete „Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ auf Seite 120 aufschlägt. Dort ist ein ganz neuer Weg aufgeführt, wie die Armee ihrem drohenden Personalmangel abhelfen könnte: nämlich durch „die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU“.

Die Idee ist während der eineinhalb Jahre öfter hin- und hergewendet worden, in denen die Regierung ihr neues sicherheitspolitisches Grundsatzpapier hat diskutieren lassen. Auf den ersten Blick leuchtet sie ein. Warum soll nicht in einem Europa der Arbeitnehmer-Freizügigkeit auch der Soldatenberuf allen offenstehen? Dagegen spricht freilich das sehr spezielle Loyalitätsverhältnis, mit dem sich jeder Soldat auf Eid verpflichtet, notfalls unter Einsatz seines Lebens das eigene Land zu verteidigen.

Leyen verweist darauf, dass es inzwischen zivile Spitzenbeamte gibt, die Bürger eines anderen EU-Staats sind. Sie hebt die enge europäische Integration der Streitkräfte hervor und zeigt sich davon überzeugt, dass die Soldaten selbst ihren Verteidigungsauftrag heute weiter fassen als früher: „Es ist nicht die Scholle. Es sind die Werte.“ Aber, räumt sie ein, die Passage sei schon auch „bewusst offen formuliert“, im Konjunktiv, als Eröffnung einer Diskussion – in die, natürlich, auch die Partnerländer einzubinden seien, die ihre Bürger wohl erst freigeben müssten.

Ministerin muss sich der SPD geschlagen geben

Diese Heldenklau-Passage ist durchaus typisch für das Weißbuch. Auf 141 reich bebilderten Druckseiten findet sich sehr viel Altbekanntes und Selbstverständliches und dazwischen ein paar kleine Aufreger-Fragen. Die schwammartigen Formulierungen lassen jedes Mal ahnen, wie sehr man sich darüber in der großen Koalition uneins ist. Hätte die CDU-Ministerin gekonnt, wie sie wollte, hätte die Regierung eine Grundgesetzänderung zum Einsatz der Armee im Inneren befürwortet. Hätte der SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier alleine bestimmt, wäre davon gar keine Rede gewesen.

Der Kompromiss besteht in einem Hinweis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht es erlaubt hat, dass Soldaten bei „besonders schweren Unglücksfällen“ inklusive terroristischer Großlagen auch hoheitliche Aufgaben übernehmen dürfen, und der Übereinkunft, dass Polizei und Armee dies schon mal üben sollen. Ob Soldaten also wie etwa in Frankreich auch bewaffnet Streife gehen könnten? Leyen sagt, dass all solche Fragen nur im konkreten Einzelfall und jedenfalls schwierig zu entscheiden seien.

Das gilt auch für das dritte kleine Aufreger-Thema. Im Weißbuch finden sich neben dem Bekenntnis zum Handeln in Bündnissen Hinweise darauf, dass „Ad hoc-Kooperationen“ künftig häufiger werden dürften. Solche Koalitionen der Willigen sind heikel, weil das Bundesverfassungsgericht deutsche Auslandseinsätze auf den Rahmen von „Systemen kollektiver Sicherheit“ begrenzt hat. Die Regierung legt sich denn auch nicht wirklich fest – sie plädiert vielmehr lediglich dafür, die jetzt auch schon etwas älteren Empfehlungen der Rühe-Kommission für ein neues nationales Einsatzrecht demnächst doch mal einer genaueren Überprüfung zu unterziehen.

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