zum Hauptinhalt

Weißrussland: Abbruch der Beziehungen zur EU droht

EU-Diplomaten verlassen das diktatorisch geführte Weißrussland - und Minsk zieht seine Botschafter aus Europa ab. Vor allem der Konflikt zwischen Polen und Weißrussland eskaliert.

Die Botschafter der EU und Polens staunten nicht schlecht, als das Außenamt in Minsk sie am Dienstag einbestellt hatte. Dort eröffnete ihnen Sprecher Andrej Sawinych, dass Weißrussland seine Botschafter in Brüssel und in Warschau zwecks Konsultationen in die Heimat zurückgerufen habe. Die Empfehlung, Europa und Polen sollten ihre Botschafter ebenfalls zu Konsultationen abberufen, folgte. Die Diplomaten packten schon in der Nacht zu Mittwoch die Koffer.

Nun scheint sogar der vollständige Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen EU und Weißrussland möglich. Denn in Weißrussland, das Europas letzter Diktator Alexander Lukaschenko seit 1994 mit eiserner Faust regiert, liegen die Nerven blank.

Schon im Dezember hatte die EU ein Einreiseverbot gegen mehr als 200 weißrussische Staatsbeamte verhängt und die Aktiva mehrerer Staatskonzerne eingefroren. Am 1. März treten neue, verschärfte Sanktionen in Kraft, die die EU-Außenministerkonferenz am Montag beschloss. Sie sehen weitere Einreiseverbote vor. Für Richter und zwei Polizeigeneräle sowie für staatsnahe Unternehmer.

Europa reagiert damit auf die permanente Verletzung von Menschenrechten in der Ex-Sowjetrepublik, vor allem auf die Repressalien gegen die Opposition. Proteste gegen die offenkundig gefälschten Ergebnisse der Präsidentenwahlen im Dezember 2010, mit denen Lukaschenko sich eine weitere fünfjährige Amtszeit genehmigte, ließ das Regime brutal zusammenknüppeln, Lukaschenkos Herausforderer wegen Anstiftung zu Massenunruhen verhaften.

Weißrussland liegt zwischen der EU und Russland. Auch die politische Ausrichtung des Landes schwankt beständig zwischen diesen zwei Schwergewichten.
Weißrussland liegt zwischen der EU und Russland. Auch die politische Ausrichtung des Landes schwankt beständig zwischen diesen zwei Schwergewichten.

© Tsp

Seit der letzten Wahl packt die Staatsmacht noch stärker zu

Im Oktober 2011 zog Lukaschenko die Daumenschrauben nochmals an. Das ihm hörige Parlament verabschiedete Gesetze, mit denen die Strafen für Parteien und nichtstaatliche Organisationen, die Spenden aus dem Ausland beziehen, drastisch verschärft wurden. Das gleiche gilt für Aufrufe zu nicht genehmigten Kundgebungen und Demonstrationen. In beiden Fällen drohen jetzt bis zu drei Jahre Haft. Kurz danach trat auch ein neues Geheimdienst-Gesetz in Kraft.  Es ermächtigt Mitarbeiter des weißrussischen KGB sich zwecks Verhütung von Verbrechen jederzeit, notfalls „durch Aufbrechen von Schließvorrichtungen Zutritt zu Wohnungen natürlicher Personen“ sowie zu Räumen nichtstaatlicher Organisationen zu verschaffen und „begründete Risiken“ bei der Ausübung ihrer Pflichten „mit Waffen aller Art“ abwehren zu dürfen.

Europa hatte zwar eine Strategie der Annäherung versucht und Weißrussland 2008 eine Mitarbeit am Programm für östliche Partnerschaft angeboten. Doch jetzt dürfte Lukaschenko, obwohl auch sein Verhältnis zu Moskau alles andere alles ungetrübt ist,  sich wieder stärker in Richtung Russland orientieren. Forderungen von EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton, politische Häftlinge freizulassen und zu rehabilitieren, sowie deren Ankündigung, Europa werde seine Kontakte zur Opposition verstärken, nimmt er auch als persönliche Beleidigung wahr.

Lukaschenkos Wut richtet sich insbesondere gegen Polen. Beide Staaten haben teilweise eine gemeinsame Geschichte, die Sprachen sind eng verwandt, Warschau sieht sich daher in besonderer Obhutspflicht gegenüber den Nachbarn im Osten und bot vielen politischen Flüchtlingen Asyl an. Minsk rächt sich dafür periodisch mit anti-polnischen Hetzkampagnen. Erst zwei Wochen vor dem jüngsten Eklat sendete das Staatsfernsehen die Dokumentation „Polnisch-Lektionen“. Sie beschuldigt die polnische Botschaft in Minsk, die Opposition finanziell aufzurüsten. Warschau drohte russischen Medien zufolge daraufhin mit einer Antwort, hinter der die gesamte EU steht. Jetzt ist sie da.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false