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Weißrussland: Lukaschenkos Prüfung

Die EU hat ein frostiges Verhältnis zu Weißrussland. Wie sich die Beziehungen weiterentwickeln wird auch von den Parlamentswahlen am Sonntag abhängen. Aufgrund des Krieges in Georgien hat die EU Interesse an einer Verbesserung des Umgangs miteinander.

Das Land liegt vor Europas Haustür, doch mit kaum einem ihrer Nachbarn tut sich die Europäische Union so schwer wie mit Weißrussland. Gegen das Regime des autoritär regierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko hatte die EU nach der manipulierten Präsidentenwahl vor zwei Jahren Sanktionen verhängt. Kontakte auf Regierungsebene gibt es nicht, Lukaschenko und mehrere Spitzenpolitiker dürfen nicht in die EU einreisen, und ihre Auslandsvermögen sind eingefroren. Die Parlamentswahlen in Weißrussland am kommenden Sonntag sollen nach dem Willen der Europäer nun zum Test werden, an dem sich die weitere Entwicklung der Beziehungen entscheidet. Falls es „Fortschritte auf dem Weg zu demokratischen Werten und Menschenrechten“ gebe, will die EU die Sanktionen überprüfen.

Der Annäherungsversuch der Europäer ist auch eine Folge des Krieges in Georgien. In den europäischen Hauptstädten wurde sehr genau registriert, dass Minsk anders als von Russland erwartet die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien bisher nicht als unabhängige Staaten anerkannt hat. Lukaschenko zögert einen Beschluss mit der Begründung heraus, darüber müsse das neue Parlament entscheiden. Außerdem wurden im August drei politische Gefangene freigelassen – dies hatte die EU lange gefordert. Beobachter warnen jedoch davor, darin schon den Beginn eines Wandels in Weißrussland zu sehen: „Öffnungen in einem Bereich gehen einher mit Repressionen in einem anderen“, sagt Vitali Silitski, Direktor des Weißrussischen Instituts für Strategische Studien. Es gehe dem Staatschef vor allem um Machterhalt: „Lukaschenko braucht Veränderungen, um Veränderungen zu vermeiden.“

Fraglich ist nun, ob sich das Regime dem Westen annähern will, um einer zu starken Umklammerung durch den großen Bruder im Osten zu entgehen – oder ob Lukaschenko nur pokert, weil er damit ein Maximum an Zugeständnissen von der EU und Russland herausholen will. Weißrusslands Abhängigkeit von Moskau ist in den vergangenen Jahren weiter gewachsen: Russland ist für das Land der wichtigste Absatzmarkt und zugleich der Hauptlieferant von Öl und Gas.

Trotz seiner unsicheren außenpolitischen Position wandte sich Lukaschenko am Wochenende mit markigen Worten an die westlichen Regierungen: Wenn die Parlamentswahl wieder für „undemokratisch“ erklärt würde, „werden wir alle Gespräche mit ihnen stoppen“, drohte der Staatschef. „Das ist eine beispiellose Wahl gemäß den Regeln des Westens.“

Über solche Behauptungen kann die weißrussische Opposition schon lange nicht mehr lachen. Der gesamte Wahlprozess sei unfair, nicht transparent und nicht legitim, betont Ljawon Barschtscheuski, Vorsitzender der oppositionellen Weißrussischen Volksfront (BNF). Die Probleme fingen schon bei der Registrierung der Kandidaten an: Die beiden Spitzenkandidaten der BNF etwa wurden gar nicht erst zur Wahl zugelassen, ähnlich erging es anderen bekannten Regierungskritikern. In den staatlichen Medien kommt der Wahlkampf praktisch nicht vor. In den Wahlkommissionen vor Ort sind Regimegegner kaum vertreten. Zwar wurden sowohl einheimische als auch internationale Beobachter zugelassen, doch die Opposition geht davon aus, dass diese nicht beim Auszählen der Stimmen dabei sein dürfen.

Aus Protest gegen diese Wahl, die aus ihrer Sicht keine ist, zog die Opposition wenige Tage vor der Abstimmung zahlreiche Kandidaten zurück. Die Bürgerrechtler wollen sich darauf konzentrieren, Unregelmäßigkeiten zu dokumentieren. Und was wünschen sich die Oppositionellen vom Westen? Barschtscheuski warnt die EU eindringlich vor verfrühten Zugeständnissen: „Europa sollte Lukaschenko sagen, dass er die Prüfung mit diesen Wahlen nicht bestanden hat.“

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