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Politik: Weitergeben statt wegwerfen – die Tafeln feiern 15. Geburtstag

Berlin - Eine Idee, so einfach wie genial, heißt es immer wieder: Überschüssige Lebensmittel nicht wegwerfen, sondern an die verteilen, die sie brauchen. Diese Idee hatte Sabine Werth vor 15 Jahren und gründete die Berliner Tafel, Keimzelle eines Netzes von jetzt fast 800 Tafeln bundesweit.

Berlin - Eine Idee, so einfach wie genial, heißt es immer wieder: Überschüssige Lebensmittel nicht wegwerfen, sondern an die verteilen, die sie brauchen. Diese Idee hatte Sabine Werth vor 15 Jahren und gründete die Berliner Tafel, Keimzelle eines Netzes von jetzt fast 800 Tafeln bundesweit. Zum Geburtstag haben die vielen ehrenamtlichen Helfer und Sponsoren aber nicht nur Grund zum Feiern: „In so einem reichen Land wie Deutschland dürfte es sie ja eigentlich gar nicht geben“, sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Schirmherrin der Tafeln.

Es gibt sie aber, die Tafeln, und sie sind heute nötiger denn je. Rund eine Million Menschen erreichen die Lebensmittel, die Supermärkte und Einzelhändler aussortieren – fast doppelt so viele wie noch vor drei Jahren. Gerd Häuser, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutsche Tafel, führt das auf mehrere Ursachen zurück. „Armut ist in unserem Land kein Randphänomen“, sagte Häuser. Die Sozialgesetze und die Einführung des ALG II hätten daran ihren Anteil, seien aber nicht allein verantwortlich für die Not der Bürger. „Zu den Tafeln kommen nicht nur Hartz IV-Empfänger“, so Häuser, „sondern immer mehr Menschen, deren Lohn nicht für das Nötigste reicht.“

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, in dem die Tafeln Mitglied sind, bestätigt den Trend: „Die Tafeln sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass das, was wir den Menschen in Form von Geld zur Verfügung stellen, nicht mehr ausreicht“, sagte Ulrich Schneider dem Tagesspiegel. Gerd Häuser rechnet mit neuen Bedürftigen, wenn die Energiepreise weiter steigen. Auch Senioren und alleinerziehende Mütter kommen immer häufiger an die Ausgabestellen. Etwa ein Viertel der Tafel-Kunden seien Kinder und Jugendliche. „Wir haben 20 Jahre lang gewusst, dass die Renten weiter sinken“, sagte Häuser, „und trotzdem hat niemand etwas getan.“

Handeln, wo andere noch verhandeln: Das schreiben sich die Tafeln auf die Fahnen. Ohne bürgerschaftliches Engagement wäre das nicht möglich. Rund 35 000 Freiwillige sammeln die Waren ein, sortieren und verteilen sie. Viele große Lebensmittelhersteller und Supermarktketten, aber auch kleine Metzgereien und Bäckereien spenden Reste und produzieren manchmal sogar zusätzlich. Stellvertretend für viele andere wurden gestern 15 Unternehmen für ihren langjährigen Einsatz für die Tafeln geehrt.

Auch Ministerin von der Leyen würdigte das Engagement. Weitere 15 Jahre mochte sie den Tafeln lieber nicht wünschen. Noch aber würden sie dringend gebraucht.

Christina Kohl

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