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Kinder der muslimischen Minderheit Rohingya warten in Thaingkhali (Bangladesch) auf Essensrationen, die von einer türkischen Hilfsorganisation an Kinder und Frauen ausgeteilt werden.

© Dar Yasin/AP/dpa

Weltflüchtlingstag: Eine weltweite Tragödie, die immer größer wird

Das Schlagwort "Asyltourismus" hält einem Faktencheck nicht stand - denn die eigentliche Katastrophe findet nicht in Europa statt. Ein Gastbeitrag.

„Asyltourismus“ – ein Schlagwort, das wir in der aufgeheizten politischen Debatte der vergangenen Woche häufig gehört haben. Ein Schlagwort, das Wirkung zeigt, obwohl es einem Faktencheck nicht standhält. Wirkung zeigt es, beklagt der Repräsentant des UNHCR, Dominik Bartsch, da es dazu führen könnte, dass die Bevölkerung die Integrationsbereitschaft von Geflüchteten nicht weiter unterstützt. Wirkung auch, weil es suggeriert, dass Deutschland und vielleicht auch Europa die Hauptlast durch die Fluchtbewegungen zu tragen haben. Der Schlagabtausch der letzten Tage zwischen Berlin und München verunsichert einen Teil unserer Gesellschaft.

Deshalb ist es wichtig, dass das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) die Fakten wieder gerade rückt. Zum Weltflüchtlingstag schreiben die vom UNHCR veröffentlichten Zählungen Geflüchteter den Negativtrend der letzten Jahre fort: Waren es 2016 noch 65,6 Millionen Menschen, haben im vergangenen Jahr 68,5 Millionen Menschen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung Schutz gesucht. Alle zwei Sekunden war ein Mensch zur Flucht gezwungen.

Hinter dieser unvorstellbaren Zahl stehen Schicksale einer weltweiten Tragödie, die immer größer wird. Wir müssen gar nicht erst in künstlichen Betroffenheitsjargon verfallen, um uns die weltweite Schieflage vor Augen zu führen. Der größte Teil der Geflüchteten ist innerhalb des eigenen Heimatlandes entwurzelt.

Die meisten stammen aus nur fünf Ländern

Die meisten Menschen, die fliehen mussten, stammen aus nur fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Südsudan, Myanmar und Somalia. Die überwältigende Mehrheit dieser Flüchtlinge fand Sicherheit in ihren Nachbarländern. 84 Prozent der Flüchtlinge weltweit werden von Ländern mit niedrigem oder mittlerem volkswirtschaftlichem Einkommen aufgenommen.

Länder wie die Türkei, Pakistan oder der Libanon tragen die Hauptlast der weltweiten Fluchtbewegungen. In Europa haben 2,5 Millionen Menschen Schutz und die Chance auf eine bessere Zukunft gefunden. Die eigentliche Katastrophe findet also – entgegen der Wahrnehmung vieler Menschen bei uns – woanders statt.

Richtig ist, dass Deutschland zu den wichtigen Aufnahmeländern in Europa zählt. Aber auch hier zeigen die Fakten, dass die Zahl der Asylsuchenden immer weiter zurückgeht. Zwei Aspekte kommen in der Debatte kaum noch vor: die Willkommenskultur hat nach den Jahren 2015/2016 den großen Stresstest bestanden. Zwar wird kaum noch darüber berichtet, aber im ganzen Land engagieren sich weiter sehr viele Menschen für Geflüchtete.

Außerdem werden die Chancen, die sich mit Geflüchteten in Deutschland ergeben, in der aktuellen Debatte komplett ausgeblendet. Weil die Staatengemeinschaft bei der weltweiten Flüchtlingssituation noch keine wesentlichen Fortschritte gemacht hat, muss auch die Zivilgesellschaft weiter bewegt werden: Eine große Herausforderung für den UNHCR und seine nationalen Partner wie die UNO-Flüchtlingshilfe in Deutschland, die die weltweiten, lebensrettenden Einsätze des UNHCR finanziell unterstützt, wie auch Projekte für Geflüchtete in Deutschland.

Der Autor ist Geschäftsführer der Uno-Flüchtlingshilfe e. V., dem nationalen Partner des UNHCR.

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