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Weltklimagipfel: Plan A, Plan B, Plan V

In Bangkok wird über einen Vertragstext für den Klimagipfel in Kopenhagen gestritten.

Berlin - In 68 Tagen beginnt der Weltklimagipfel in Kopenhagen, wo ein neues Klimaabkommen beschlossen werden soll. Am Montag begann in Bangkok die zweitletzte Verhandlungsrunde vor dem entscheidenden Gipfel. Und noch immer umfasst das Verhandlungsdokument mehr als 170 Seiten und Tausende ungeklärter Fragen. „Die Zeit läuft uns nicht nur davon, sie ist fast um“, warnte der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer. Auch der thailändische Premierminister Abhisit Vejjajiva warnte vor dem Scheitern: „Es gibt keinen Plan B. Wenn wir Plan A nicht umsetzen, landen wir direkt bei Plan V, und das steht für Versagen.“

Beim Klimagipfel der Regierungschefs in New York, auf Einladung des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, in der vergangenen Woche haben nahezu alle Regierungschefs große Worte gefunden, aber kaum konkrete Zusagen gemacht. Die indische Delegation forderte in Bangkok deshalb eine Festlegung der Industrieländer. Diese sollten sich auf „Emissionsreduzierungen von mindestens 40 oder 45 Prozent unter den Wert von 1990 festlegen“. Der sudanesische Vertreter Lumumba Di-Aping, der für die Gruppe der Entwicklungsländer, G 77 und China, verhandelt, verlangte von den Industriestaaten finanzielle und technologische Unterstützung zur Emissionsminderung und um die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Sonst gebe es kein Abkommen. „So einfach ist das“, sagte Di-Aping. Die Summen, die dafür genannt werden, schwanken, liegen aber überwiegend höher als 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die bisher vorliegen Zusagen dafür liegen bei einigen Millionen Dollar.

Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll Europa bis zu 15 Milliarden Euro im Jahr 2020 für die Anpassung und den Klimaschutz in Entwicklungsländern bezahlen. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen auf ihrem Gipfel Ende Oktober darüber jedoch noch abstimmen. Auch beim G-20-Gipfel in Pittsburgh wurde in Sachen Finanzzusagen kein Durchbruch erzielt. „Ich war enttäuscht vom G-20-Treffen“, sagte die dänische Klima-Ministerin Connie Hedegaard. „Die Industrieländer müssen unter Beweis stellen, dass sie es ernst meinen.“

Martin Kaiser, der für Greenpeace die Klimaverhandlungen beobachtet, hält es für entscheidend, dass die Staats- und Regierungschefs in die Verhandlungen eingreifen. „Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich seit Monaten komplett heraushält, ist für uns völlig unverständlich und skandalös“, sagte er dem Tagesspiegel. Vor allem die USA müssten sich weiter bewegen. Kaiser sagte, der amerikanische Präsident Barack Obama „braucht einen Plan B“, um den Kopenhagen-Pakt noch zu retten. Sein Klimapaket, das derzeit im Senat feststeckt, würde lediglich eine Emissionsminderung der USA um vier bis sechs Prozent im Vergleich zu 1990 erbringen. Das ist als Verhandlungsangebot für Schwellenländer wie China oder Indien völlig inakzeptabel.

Regine Günther, Klimaexpertin der Umweltstiftung WWF, sagt, die neue deutsche Regierung müsse sich „in rasantem Tempo auf ambitionierte Zielvorgaben und Finanzzusagen einigen, um den Klimavertrag zu einem Erfolg zu führen“. Das gelte nicht nur für den neuen Umweltminister, sondern auch für den Finanz-, Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenminister „und natürlich für die Kanzlerin“, sagte sie. Christoph Bals, der für die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch seit Jahren die Verhandlungen begleitet, hofft zudem, dass Connie Hedegaard bald stärker in die Diskussion eingreift und selbst einen verhandelbaren Vertragstext formuliert, falls es in Bangkok wieder nicht gelingen sollte, den Text auf ein realistisches Maß zu straffen. Er sieht den größten Nutzen des Klimagipfels in der vergangenen Woche darin, dass die Staats- und Regierungschefs zumindest auf den Stand der Debatte und der Dramatik gebracht worden seien. Er bedauert, dass es derzeit im Verhandlungsprozess leider „keine Beschleuniger gibt“.

Gelingt es erst 2020, den Höchststand der weltweiten Treibhausgasemissionen zu erreichen, „brauchen wir jedes Jahr eine Emissionsminderung von mehr als einem Kyoto-Protokoll“, um unter einer globalen Erwärmung von zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu bleiben, sagt der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Hans- Joachim Schellnhuber. Bei einem höheren Wert seien die Folgen des Klimawandels kaum noch zu bewältigen. Derzeit ist die Welt auf einem Sechs-Grad-Pfad.

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