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Weltklimarat: Folgen des Klimawandels: Wirklich alle werden von den Konsequenzen getroffen

So präzise wie noch nie: Niemand wird von den Konsequenzen des Klimawandels unberührt bleiben. Das stellt der Weltklimarat IPCC in seinem neuen Bericht fest. Wie sehen die Folgen des Klimawandels aus?

Er soll eine Entscheidungshilfe für Politik und Wirtschaft sein: In der Nacht zum Montag hat die Arbeitsgruppe II des Weltklimarats (IPCC) ihren Bericht über die Folgen des Klimawandels vorgelegt. Im Vergleich zum Vorgängerbericht vor sieben Jahren haben die Klimaforscher präziser herausgearbeitet, in welchem Spektrum Veränderungen zu erwarten sind. Außerdem nimmt der Bericht die regionalen Klimaveränderungen stärker in den Blick. Vor allem Entwicklungsländer hatten präzisere Informationen verlangt. Nicht zuletzt benennt er auch Unsicherheiten, die es bei einigen Fragen nach wie vor gibt.

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Nahrungsmittelversorgung?

Unbestritten ist, dass der Klimawandel Auswirkungen auf die Wasserversorgung und die Nahrungsmittelproduktion hat. Der IPCC ist sich sehr sicher, dass die globale Erwärmung die Ursache für die weltweite Gletscherschmelze ist. Einig sind sie sich auch, dass bezogen auf alle Weltregionen die „negativen Auswirkungen auf die Ernten weiter verbreitet sind als die positiven“. Wolfgang Cramer, Wissenschaftlicher Direktor am Institut Méditerranéen de Biodiversité et d'Ecologie marine et continentale in Marseille, sagt: „In vielen Regionen der Erde kommt es bislang nicht zu nennenswerten Ernteausfällen durch den Klimawandel.“ Denn zeitgleich werde auch die Bewässerungstechnik besser, mit der die Bauern sich gegen Trockenperioden schützen. „Das bedeutet aber, dass man mehr bewässern muss, um die Erträge auf gleichem Niveau zu halten.“ Je weiter der Klimawandel fortschreitet, desto mehr muss in der Produktion „aufgerüstet“ werden, um sich noch anpassen zu können.

Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat mit dem Projekt ISI-MIP (Inter-Sectoral Impact Model Intercomparison Project) an einer der Grundlagen für diesen Weltklimabericht gearbeitet. „Wir haben globale Modelle zur Abschätzung von Klimafolgen auf den Wasserhaushalt und die natürliche Vegetation, die Landwirtschaft und die Ausbreitung der Malaria miteinander verglichen“, sagt Frieler. „Für die Klimafolgenforschung fehlte das noch“, sagt sie. Dafür sind die „verschiedenen Klimafolgenmodelle mit den selben Daten gefüttert worden“. So konnte die Forschergruppe um Katja Frieler abschätzen, wo sich die Modellierer einig sind, und wo es „noch große Unterschiede zwischen den Ergebnissen“ gebe, berichtet die Klimaforscherin. Dabei ging es vor allem um die Frage: Was passiert in einer Welt, die im Durchschnitt um zwei, drei oder vier Grad wärmer ist als zu Beginn der Industrialisierung? Einige Modelle, „die den Düngeeffekt durch Kohlendioxid (CO2) besonders hoch einschätzen, kommen zu deutlich optimistischeren Annahmen, was die globalen Erntemengen angeht, als Modelle, die berücksichtigen, dass der Effekt zum Beispiel durch die Verfügbarkeit von Stickstoff begrenzt wird“, sagt Frieler. Pflanzen „verbrauchen“ beim Wachstum CO2, der Kohlenstoff wird in den pflanzlichen Organismus eingebaut. Viel CO2 wirkt ähnlich wie Dünger. Diese Effekt ist stärker, wenn gleichzeitig ein hohes Stickstoffangebot, also Dünger, im Boden zur Verfügung steht

Nach jedem Weltklimabericht wird darüber gestritten, wie zuverlässig die Zukunftsszenarien sind. Frieler sagt dazu: „So ein Modellvergleich hat etwas Paradoxes: Die Bandbreite der Ergebnisse wird größer und damit gleichsam unschärfer - zugleich sind diese Ergebnisse dann aber auch viel zuverlässiger, als wenn wir nur eine einzelne und scheinbar eindeutige Computersimulation hätten laufen lassen.“ Vor allem aber sei es so möglich, „die Unterschiede zu verstehen“ und das mache das Wissen über die Klimafolgen der Zukunft „ noch klarer als vor ein paar Jahren“. Ein Ergebnis dieser Arbeit im PIK ist ein „Simulationsarchiv“, das nun allen interessierten Forschern offen steht. Ein solches Archiv gibt es für globale Klimasimulationen schon lange. Nun wird es auch für die Klimafolgenprojektionen aufgebaut. „Damit können jetzt ganz verschiedene Fragen beantwortet werden“, sagt Katja Frieler..

Welche Sicherheitsrisiken ergeben sich aus dem Klimawandel?

Bereits vorhandene Ressourcenkonflikte werden durch den Klimawandel weiter verschärft. Diese Erkenntnis ist nicht neu, auch das amerikanische Verteidigungsministerium warnt seit geraumer Zeit davor. Doch die Klimaforscher sind sich nun einig, dass die globalen Sicherheitsrisiken mit dem Fortschreiten der globalen Erwärmung verschärfen. Häufigere und dramatischere Wetterextreme haben einen ähnlichen Effekt. Dürren können die Nahrungsmittelsicherheit ganzer Regionen schnell in Frage stellen – und durch steigende Preise für Lebensmittel auch schnell zu politischen oder Sicherheitskrisen führen. Überschwemmungen, Erdrutsche oder andere Folgen von Wetterkatastrophen können die gesamte Infrastruktur der betroffenen Regionen zerstören – und wiederum bereits bestehende Konflikte verschärfen.

Welche Folgen hat der Klimawandel auf die Gesundheit?

Bislang habe die Erderwärmung einen geringen Einfluss, schreiben die Autoren. Andere Faktoren wie schlechte Hygiene sind wesentlich gefährlicher. Zukünftig erwarten sie aber spürbare Folgen, vor allem in Entwicklungsländern. Einigkeit besteht darin, dass anhaltende Hitzewellen und Brände zu mehr Krankheiten und Todesfällen führen. Die erwarteten Verluste in der Landwirtschaft werden sehr wahrscheinlich zu Mangelernährung führen. Auf der anderen Seite dürfte durch den Rückgang von extremen Kälteeinbrüchen auch die Zahl der damit verbundenen Opfer zurückgehen, vermuten die Forscher. Unterm Strich werden die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit über die positiven Effekte dominieren, heißt es weiter. Die wirksamsten Gegenmaßnahmen seien eine flächendeckende Versorgung mit sauberem Wasser und Sanitäranlagen, Gesundheitsprogramme und die Bekämpfung der Armut.

Womit muss Europa rechnen?

Im Gegensatz zu vorherigen Berichten des IPCC macht der aktuelle Report wesentlich genauere Aussagen zu einzelnen Regionen. Als bedeutendste Gefahren für Europa haben die Wissenschaftler Überflutungen infolge des Meeresspiegelanstiegs und durch Starkniederschläge identifiziert. Weiterhin werden Hitzewellen und Wassermangel genannt, die vor allem Südeuropa treffen werden – mit entsprechenden Folgen für die Landwirtschaft, Industrie, Tourismus und die Gesundheit der Menschen. Die Risiken stufen die Forscher derzeit als „gering bis moderat“ ein. Je nachdem, wie stark die Erderwärmung ausfällt und wie gut sich die Länder der Veränderungen anpassen, kann das Risiko in Zukunft „sehr hoch“ sein.

Prinzipiell sieht Daniela Jacob vom Climate Service Center in Hamburg, führende Autorin des Europa-Kapitels, den Kontinent auf gutem Wege. „Die Anpassungsfähigkeit ist hier vergleichsweise hoch“, sagt sie. Allerdings müsse die Politik mehr unterstützen. So wird der Hochwasserschutz oft erschwert durch gegenläufige Interessen der Kommunen und Länder.

Wie liefen die Verhandlungen ab?

Es gab intensive Diskussionen, etwa darüber, welche Schäden dem Klimawandel zuzuordnen sind und welche nicht. Dennoch sei es eine „unglaublich konstruktive Atmosphäre“, gewesen, sagt Cramer. Bei früheren Verhandlungen hätten sich Staaten wie Saudi-Arabien und vom Klimawandel besonders betroffene Entwicklungsländer konträr gegenüberstanden. Diesmal habe man sich wirklich um Lösungen bemüht.

Wie einig sind sich Industrie- und Entwicklungsländer im Befund?

Was die Zukunft betrifft, sieht Cramer den stockenden Nord-Süd-Dialog als großes Hindernis für eine globale Reaktion auf den Klimawandel. „Solange wir die Atmosphäre nicht als gemeinsames Gut aller betrachten, habe ich wenig Hoffnung, dass eine Erwärmung im Bereich von drei bis sechs Grad vermieden werden kann.“ Viele Entwicklungsländer haben begriffen, dass sich mit dem Klimaargument eine Menge Geld locker machen lässt, das mit dem Argument Armutsbekämpfung nicht zu bekommen wäre. Außerdem lässt sich so auch lokales Politikversagen vertuschen. Denn ob es in einer Region zur Dürre kommt, weil der Klimawandel zuschlägt, oder weil alle Bäume gefällt worden sind, lässt sich so genau nicht differenzieren.

Die Industrieländer wollen dagegen auf keinen Fall für die Schäden haften. Die USA haben zuletzt sogar das UN-Prinzip der „gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit“ für das Klima in Frage gestellt, weil in den Vereinigten Staaten Regressforderungen von Entwicklungsländern für den Treibhausgasausstoß der vergangenen 200 Jahre nicht vermittelbar sind. Die USA weigern sich zudem, eine historische Verantwortung für den aktuellen Zustand des Klimas zu akzeptieren.

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