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Politik: Wende in Jugoslawien: Das Gesicht der Revolution

Am Anfang einfach nur ungläubiges Staunen: Rauchwolken stehen über dem Parlament in Belgrad. Tausende Menschen davor.

Am Anfang einfach nur ungläubiges Staunen: Rauchwolken stehen über dem Parlament in Belgrad. Tausende Menschen davor. Demonstranten, die versuchen, das Gebäude zu stürmen. Hunderte Polizisten, die das verhindern wollen. Mit Schlagstöcken und Tränengas. Doch das Volk drängt, es erhebt sich. Der Diktator soll endlich abtreten, das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen anerkennen. Steine fliegen. Der Zorn explodiert. Polizeiautos gehen in Flammen auf. Ähnlich, wie es damals war, in Rumänien, als es dem verhassten Ceausescu an den Kragen ging. Die Belgrader dringen schließlich in das Parlament ein. Überraschend leicht ist das, offenbar kinderleicht: Der Polizeikordon wird von einem dreijährigen Mädchen überwunden. Es schlüpft den Beamten zwischen den Beinen hindurch. Alle drehen sich um, auch die Polizisten - und lachen. Dies ist der Tag der Freiheit, nach 13 Jahren Unterdrückung.

Aber noch ist es nicht geschafft. Die Situation eskaliert noch einmal. Die, die glauben, sie müssten dem Noch-Herrscher weiter die Treue halten, drängen die aufgebrachten Menschen zurück. Aber die halten stand. Die Front des Machthabers bröckelt. Das Ausland signalisiert der serbischen Opposition Unterstützung. Vertreter der orthodoxen Kirche, die ohnehin schon länger auf Anti-Milosevic-Kurs ist, tun das Gleiche. Und appellieren an das Militär, sich zurückzuhalten, nicht Partei zu ergreifen, schon gar nicht für Milosevic. Das Militär gehorcht, es hält sich zurück. Ja, im Laufe des dramatischen Tages kommt es zu Szenen der Verbrüderung. Unterdrücker und Unterdrückte umarmen sich weinend. Ein Soldat küsst einem Popen die Hand - hier ist die Revolution friedlich.

Mit einem siegreichen Helden: Vojislav Kostunica, vom Volk zum Staatschef gewählt. Auf dem Balkon der Belgrader Stadthalle triumphiert er, wie immer mit ausgestrecktem Arm. Milosevic? Nicht mehr im Amt. Verschwunden. Kostunica ruft die Menge auf, Ruhe zu bewahren; es bleibt ruhig. Die Menschen feiern, tanzen, liegen sich in den Armen. Sie küssen sich, den Gasmasken zum Trotz.

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