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Politik: Wende zurück?

FDP-Chef Westerwelle zeigt sich für Bündnisse mit der SPD offen – zumindest will er nicht wegrennen

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Pünktlich zur Übernahme seines neuen Jobs an der Spitze der Bundestagsfraktion hat FDP-Chef Guido Westerwelle seine Partei mit einer neuen politischen Kampflosung überrascht. „Ich sehe Möglichkeiten, unsere Optionen zu verbessern“, sagte Westerwelle am Ende dieser Woche und meint damit die Hinwendung der Liberalen zur SPD.

Als Grund für den plötzlichen Sinneswandel des Guido Westerwelle, der noch vor nicht allzu langer Zeit den Sozialdemokraten – und mit ihnen den Gewerkschaften – vorgeworfen hatte, das ganze Land zu ruinieren, nannte er selbst seine Verärgerung über den Kurs der Union innerhalb der großen Koalition. Die marktwirtschaftliche Ausrichtung sei ihr verloren gegangen, monierte Westerwelle, die Reformbeschlüsse des Leipziger Parteitages der CDU im Jahr 2003 für mehr Freiheit in der Wirtschaft würden sich mittlerweile „wie ein Betriebsunfall ausnehmen“. Wenn sich die Union inhaltlich so weiter von der FDP entferne, „werden wir ihr nicht nachlaufen“, sagte er. Und wenn sich die SPD auf die FDP zubewege, „dann rennen wir nicht weg“.

Im Berliner FDP-Landesverband wurde die Ankündigung des Parteichefs, in Zukunft intensiver über Regierungsbündnisse mit den Sozialdemokraten nachzudenken, zumindest als willkommener Auftakt auch zu einer hauptstädtischen Ampel-Debatte verstanden. In diesem Herbst wählt die Bundeshauptstadt ein neues Abgeordnetenhaus, und Landeschef Markus Löning findet, dass Westerwelles Ansichten über die Union in Berlin ihre Entsprechung haben. „Wenn es um die Haushaltssanierung geht“, meint Löning, „dann findet man in der SPD realistische Politikansätze. In der Union gibt es solche realistischen Ansätze kaum.“ Ist das ein offener Aufruf zum gemeinsamen Regieren mit Klaus Wowereit (SPD) und den Grünen? Für Löning wäre so eine klare Aussage noch ein bisschen früh, aber zumindest eine Option, um in Berlin die PDS von der Regierungsbank zu vertreiben.

In anderen Landesverbänden der FDP wurde Westerwelles plötzliche Optionsdebatte mit einiger Verwunderung – allerdings inhaltlich nicht ohne Wohlgefallen – hingenommen. „Sich so stark auf die Union zu verengen, dass im Land nur noch schwarz-gelbe Bündnisse für möglich gehalten werden“, meint ein Oberliberaler, sei ohnehin gefährlich gewesen. Allerdings müsse Westerwelle nun schleunigst auch erklären, welchen tieferen inneren Sinn solche Bündnisse hätten, hieß es. Sonst gebe er die Partei der bündnismäßigen Beliebigkeit preis.

Anfang kommender Woche wird Weterwelle, das Amt, für das er sich schon im letzten Herbst wählen ließ, antreten. Er wird Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt hat sein Amt als Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung Anfang April angetreten. „Die Schlagkraft“ der Fraktion erhöhen, gehört zu den wichtigsten Zielen des neuen Fraktionschefs. Und Themenfelder, in denen die FDP bisher Kompetenzen hatte, sollen unter Westerwelles Führung ausgebaut und „verbreitert“ werden. Neue Kompetenzen sollen dazu- kommen, etwa in der Kulturpolitik, wo Westerwelle insbesondere in Großstädten potenzielle Wähler ansprechen will, sowie in der Energie- und der Umweltpolitik. In zwei Wochen wird die Umwelt das bestimmende Thema des Bundesparteitags in Rostock sein.

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