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Politik: Wenig Selbstkritik, viel Kampfgeist: Die Antrittsrede Merkels soll der Partei wieder Selbstvertrauen einhauchen

Sie läßt ein bisschen auf sich warten, die Aufbruchstimmung bei der CDU. "Wir können die Finanzdebatte natürlich nicht abbrechen", hat Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann am Sonntagabend ahnungsvoll festgestellt.

Von Robert Birnbaum

Sie läßt ein bisschen auf sich warten, die Aufbruchstimmung bei der CDU. "Wir können die Finanzdebatte natürlich nicht abbrechen", hat Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann am Sonntagabend ahnungsvoll festgestellt. Das kann die CDU tatsächlich nicht. Erstens, weil Satzungs- und Finanzfragen bei den Christdemokraten aus gegebenem Anlaß zur Zeit ungewöhnlich wichtig sind. Zweitens, weil beim Geld die Freundschaft aufhört. Beim Treffen der Landesgruppen am Sonntagabend hat es allseits ein lautstarkes Grummeln gegeben über die Absicht, die Skandal-Schulden der Bundes-CDU zu guten Teilen den Kreisverbänden aufzudrücken.

Der Bremer Landeschef Bernd Neumann darf also die 1001 Delegierten nicht noch weiter reizen. Darum kann er nicht in bewährter Tagungspräsidentenmanier den Antrag C 22 kurzerhand für abgelehnt erklären, obwohl das Votum keineswegs eindeutig ist, sondern muss ganz korrekt schriftlich abstimmen lassen. Das dauert. Angela Merkel kommt vom Podium in der Essener Gruga-Halle herunter und läßt sich ablichten: Gruppenfoto mit sechs Delegierten und künftiger Parteichefin.

Und um kurz vor fünf Uhr ist sie dann endlich doch oben auf dem Rednerpult. So plötzlich geht das, dass die Delegierten gar nicht richtig zum Empfangsapplaus kommen. "Bericht der Generalsekretärin", vermerkt nüchtern die Tagesordnung; es ist aber natürlich ihre Antrittsrede. "Die Stunde unserer Gegner ist vorbei", lautet das selbstbewußte Motto: "Es geht jetzt wieder zur Sache. Wir sind wieder da." Da tun die im Saal, worauf sie seit einem halben Tag gewartet haben: Sie klatschen dem Aufbruch entgegen.

Er fällt ein Stück nachdenklich aus, ein kleines Stück selbstkritisch und ein sehr großes Stück kämpferisch. Ein sehr kurzer Rückblick auf die "dramatischen Monate hinter uns". Ein kurzer Dank an Wolfgang Schäuble - vorhin, als der Vorgänger und Förderer seine Abschiedsrede gehalten hat, hat sie den stehenden Beifall abgekürzt; hat sich als erste hingesetzt mit dieser stillen Selbstverständlichkeit, mit der sie noch Herrschaftsgesten so abzumildern versteht, dass ihr niemand böse sein kann. Ein etwas längerer Absatz zu Helmut Kohl, "dem wir auch von diesem Parteitag aus noch einmal ganz herzlich zu seinem 70. Geburtstag gratulieren wollen".

Und dann 22 Seiten Attacke. "Die CDU war immer auf der richtigen Spur", sagt die künftige Parteivorsitzende, und: "Wir sind die Gewinner der Geschichte." Das haben sich so unbekümmert nicht mal die beiden Vorgänger je zu sagen getraut. Und so geht es weiter: Die CDU als Europa-Partei, die CDU als Partei mit einer Vision der Gesellschaft, die CDU als Technologie-Partei, die CDU als - ja, auch das: als Öko-Partei. Die CDU auch als Partei, die gegen einen "forciert betriebenen" EU-Beitritt der Türkei ist und gegen eine "Überreaktion" der Europäer gegen Jörg Haiders FPÖ. Die Botschaft ist klar: "Die CDU hat immer einen inneren Kompass gehabt" - eine politische Heimat irgendwo zwischen der Globalisierung und dem Ehrenamt. Die Roten und die Grünen aber, das ist die Kehrseite der Botschaft, haben diesen Kompaß nicht, schwankende Gestalten vor allem die Sozialdemokraten.

Am Ende zitiert sie Oskar Lafontaine, spöttisch: "Unser Herz schlägt nicht links. Unser Herz schlägt für Deutschland und Europa." Und ganz zum Schluß noch einmal: "Rot-Grün kann sich warm anziehen." Das hat Lafontaine sinngemäß in Mannheim im Hinblick auf die Union gesagt, nachdem er Rudolf Scharping gestürzt hatte. Hier in Essen in der Gruga-Halle hatte die SPD seinerzeit Scharping zum Parteichef gemacht. Den hatte auch die Basis gerufen. Wie Merkel. Die Parallele macht ihr augenscheinlich keine Angst.

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