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Die Teil-Auszeit zur Pflege von Angehörigen wird bisher kaum in Anspruch genommen.

© dpa

Weniger als 200 Anträge: Schwache Nachfrage bei Familienpflegezeit

Vor einem Jahr führte Ministerin Schröder die Familienpflegezeit ein, damit Angestellte Beruf und Pflege von Angehörigen besser in Einklang bringen können. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von einer "Luftnummer".

Von Katrin Schulze

Die Prognosen klangen beachtlich. Als Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ihren Gesetzesentwurf zur Familienpflegezeit vorlegte, ging sie davon aus, dass etwa 44 000 Arbeitnehmer pro Jahr die Möglichkeit nutzen könnten, parallel zum Beruf einen pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen. Gut ein Jahr später gibt es die ersten Hinweise darauf, wie oft Schröders Angebot tatsächlich in Anspruch genommen wird – nämlich weitaus weniger. Nur 135 Anträge auf Familienpflegezeit sind bisher beim zuständigen Bundesamt eingegangen, wie das Familienministerium mitteilte. Weil die Auszeit allerdings nicht meldepflichtig ist und Unternehmen manchmal auch keine Refinanzierung beantragen, könne man keine „belastbaren Zahlen“ nennen.

Trotzdem scheint klar zu sein: Die Familienpflegezeit kommt kaum an. Und das, obwohl schon jetzt 1,6 Millionen Menschen von Angehörigen und ambulanten Diensten zu Hause gepflegt werden. „Für Fachleute ist die geringe Inanspruchnahme keine Überraschung. Das Ganze war von Anfang an eine Luftnummer“, sagte Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, dem Tagesspiegel. „Die Regelung beinhaltet weder einen verbindlichen Rechtsanspruch noch soziale Absicherung für pflegende Angehörige und nichts, was Arbeitnehmer nicht auch schon vorher mit ihrem Arbeitgeber individuell hätten aushandeln können.“

Von Beginn an ist kritisiert worden, dass das Konzept auf einer freiwilligen Leistung der Unternehmen beruht. „Die Arbeitnehmer sind auf die Freundlichkeit ihres Arbeitgebers angewiesen. Viele werden es sich unter diesen Umständen nicht trauen, eine Familienpflegezeit zu beantragen – aus Furcht vor persönlichen Nachteilen im Betrieb“, sagt die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig. Sie spricht von einem „halbherzigen und absolut unbrauchbaren“ Instrument Schröders.

Laut Gesetz können Beschäftigte ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von zwei Jahren bis zu 15 Stunden reduzieren, wenn sie zu Hause einen Angehörigen pflegen. Während dieser Zeit erhalten sie eine Art Lohnvorschuss, der nach dem Ende der Pflegezeit ausgeglichen wird, indem der Arbeitgeber zunächst weiterhin ein reduziertes Gehalt bei voller Arbeitszeit zahlt. Für die Aufstockung erhalten Firmen über das Bundesamt für Familie einen zinslosen Kredit von der staatlichen Förderbank KfW. Außerdem benötigen sie eine Ausfallversicherung, falls ein Beschäftigter den Vorschuss nicht selbst abarbeiten kann.

Der Aufwand dafür ist durch die Hilfe des Bundesamts überschaubar, dennoch würden viele Unternehmen nicht darauf zurückgreifen, sondern betriebsinterne Regelungen finden, heißt es aus dem Familienministerium. Dort hofft man, dass Gewerkschaften und Betriebsräte die Pflegeauszeit künftig besser unterstützen. „Man braucht einen langen Atem“, sagte ein Sprecher. Ähnlich wie seinerzeit bei der Altersteilzeit. Dem Paritätischen Gesamtverband reicht das jedoch nicht aus. Er fordert einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit mit Lohnersatzleistung – orientiert am Elterngeld. Die SPD schlägt ein 1000-Stunden-Modell vor. Demnach sollen Arbeitnehmer ein Zeitbudget bekommen, das mit Lohnfortzahlung ausgestattet ist und das sie zur Pflege von Angehörigen einsetzen können.

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