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Politik: Wenn das nicht der Winter ist

Von Hermann Rudolph

Einigkeit macht stark. Zu viel Einigkeit macht skeptisch. Natürlich muss die herzbewegende Gemeinsamkeit, mit der Innenminister Schily und Präsident Heesen auf der jährlichen Beamtenbundstagung in Bad Kissingen das Lob notwendiger Veränderungen intoniert haben, jeden freuen, dem an der Reform auf dem spröden Feld des öffentlichen Dienstes gelegen ist. Andererseits erstaunt so viel Eintracht angesichts der Differenzen, die überall grassieren, zwischen Bund und Ländern, unter den Ländern und in den Details sowieso. Das Scheitern der Föderalismuskommission hat eben einen Hinweis dafür geliefert, wie viel spaltbares Politikmaterial im Bundesstaat gelagert ist. Da drängt sich der Verdacht auf: Wird hier eine kleine Reform einträchtig betrieben, um einer notwendigen größeren Remedur den Weg zu verlegen?

Aber es sind eben auch oft die groß angekündigten Reformvorhaben, die die kleinen möglichen Schritte verhindern. Die Reform des Beamtenrechts, eine Leidensgeschichte ohne Ende, ist ein Exempel dafür, reif für jedes Lehrbuch. Wer seine Lektionen in sich aufgenommen hat, wird schon froh sein, wenn sich der Innenminister und die Verbandsfürsten einig darin sind, Teile des Gehalts nach Leistung zu bezahlen und mehr Flexibilisierung möglich zu machen. Das ist schon etwas. Was es ist und wohin es führt, wird sich in der Praxis erweisen. Allerdings: Dass es nicht ausreicht, um zu bewirken, was notwendig wäre, liegt auch auf der Hand.

Deshalb muss diese Reform weitere Überlegungen befördern. Da muss es skeptisch stimmen, wie – und mit welchen Argumenten – vor allem Schily die Absichten der Föderalismuskommission verbellt, den Ländern mehr Einfluss auf das Beamtenrecht zu geben. Was soll zum Beispiel seine Beschwörung eines Rückfalls in die „Kleinstaaterei“? Die deutschen Länder sind in ihrer Mehrzahl so groß wie die mittleren Staaten der EU. Sie haben wahrhaftig genügend Aktionsraum, um das Beamtenrecht verantwortlich zu handhaben. Und was die Befürchtung angeht, unterschiedliche Besoldungen könnten zu gewaltigen Fluchtbewegungen von Land zu Land führen, so muss man die Beamtenscharen erst einmal finden, die wegen des Sprung von A 15 nach A 16 neue Vorgesetzte, Umzug, Umschulung der Kinder, gegebenenfalls Hausverkauf in Kauf nehmen.

Das Beamtentum ist eine der verlässlichen Stützen jener bedrohten Eigenständigkeit der Länder, die bei der Föderalismusdebatte in Rede stand: In ihren Behörden und deren Alltag – einschließlich ihrer Traditionen und ihres spezifischen Milieus – hat es seinen Platz, ereignet es sich in Aufstieg oder Beharren, als Verwaltungshandeln oder Besitzstandswahrung. Weshalb muss dann das Beamtenrecht in der Hand des Bundes liegen? Weshalb sollen die Ländern mit ihm nicht mindestens ebenso gut, wenn nicht besser umgehen können? Gewiss, es gab gute Gründe, die nach 1945 entstandenen Landesregelungen zu vereinheitlichen. Es gibt auch gute Gründe, diesen Zustand zurückzufahren. Die Reformen, die viele Länder in Angriff nehmen, belegen es.

Für die Notwendigkeit des Wandels hat Beamtenbundspräsident Heesen, ein munterer Rheinländer, in Bad Kissingen ein sinniges Bild gefunden: „Wem der Winter nicht gefällt, der kann zwar beschließen, daran nicht teilzunehmen. Aber dennoch findet der Winter statt.“ Nur: Etwas mehr als der Winter, den wir gegenwärtig haben, mehr als die abgesprochene Reform sollte es schon sein.

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