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Politik: Wenn das Paradies zur Hölle wird

TERROR AUF BALI

Von Robert von Rimscha

Warum Bali? Sind wir nirgends mehr sicher? Ist das die perfide Strategie des Terrors: auch in den letzten Winkeln friedlicher Urlaubsharmonie und tropischer Glückseligkeit Angst und Entsetzen zu säen?

Kuta, Bali: Die beiden Worte stehen nun für den grausamsten Anschlag seit dem 11. September 2001. Doch dies zu sagen, heißt, eine Kontinuität zu behaupten: die des radikal-islamistischen Terrors, die von Al Qaida. Ist das zulässig? Wandert der Terror tatsächlich von den Zentren in die Peripherie?

Einiges wissen wir. Zentren wie New York sind geschützter, die Peripherie ist verwundbarer. Und klar ist: Wer in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine Disco in die Luft jagt, der lässt keinen Zweifel daran, was er will: maximalen Schaden, so viele Tote wie möglich. Wer gleichzeitig mehrere Sprengsätze zündet, davon einen vor dem US-Konsulat, hat einen logistischen Apparat hinter sich. Hinzu kommt: Die Verwundbarkeit der Peripherie produziert den Terror nicht, aber sie erleichtert ihm sein grausiges Geschäft.

Seit einem Jahr weiß der Westen, dass das Netz Osama bin Ladens Rückzugsräume und Zufluchtsorte sucht. Deshalb versperrt die Bundesmarine ja den Seeweg nach Somalia und Sudan. Die USA haben stets gewarnt, dass zwei Staaten die Voraussetzungen bieten, die der Terror sucht: Sie sind schwach, haben ineffiziente Sicherheitsstrukturen, leichte Ausweichmöglichkeiten – es sind die Philippinen und Indonesien. Dass der Terror sich dieser Basis bemächtigen würde, verwundert nicht.

Der Islam des riesigen Inselreichs ist mehrheitlich moderat und liberal. Doch bei 210 Millionen Einwohnern reicht eine kleine fundamentalistische Minderheit, um zu morden. Was Indonesien unter drei schwachen Übergangspräsidenten in kurzer Zeit erlebt hat, war nicht die antiwestliche Radikalisierung des Landes. Passiert ist etwas anderes. Die Radikalen haben sich radikalisiert, trauen sich heute den Weg von diskreten Gebetsräumen hin zum Bombenbau. Aus Hetzrednern wurden Terroristen. Das soziale und wirtschaftliche Elend, das sechs Jahre Dauerkrise hinterlassen haben, bietet zusätzlichen Nährboden.

Der Staat ist viel zu labil, um Einhalt zu gebieten. Die Gesellschaft ist fragil, und in einem Land, in dem es fast allen heute schlechter geht als noch vor ein paar Jahren, finden sich leicht Willige, die ihren kulturellen Ekel gegen billigen Massentourismus und all seine Exzesse – auch dafür steht Kuta – mit Gewalt zum Ausdruck bringen. Diese Melange dürfte den Terror produziert haben. Wie viel davon fremdgesteuert, wie viel von außen gelenkt und wie viel von Einheimischen organisiert wurde, das können nur die Ermittler klären. Beides dürfte eng miteinander verzahnt sein. Ob Indonesiens Behörden allerdings in der Lage sein werden, Licht in die Strukturen zu bringen, aus denen heraus in Bali getötet wurde? Präsidentin Megawati jedenfalls hat den richtigen Ton nicht getroffen, als sie in ihrer ersten Stellungnahme lächelnd einen vorbereiteten Text ablas.

Seit dem 11. September leben wir mit der Gewissheit, dass neue Anschläge kommen können. An Warnungen hat es nicht gefehlt. An Anschlägen auch nicht. Djerba, die Toten vom April, sind schon fast vergessen. Der Anschlag auf den französischen Frachter vergangene Woche ähnelt in seiner Machart auffällig der Zerstörung des US-Schiffs „Cole“. So traurig es ist: Bali beweist, dass der Kampf gegen den Terror zwei Ebenen hat: Die eine – das sind große Schritte wie ein Feldzug gegen Saddam Hussein. Die andere, den Einbruch des Horrors in den Alltag, beherrschen wir nicht. Wir sind – und bleiben – verwundbar.

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