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Politik: Wenn der Regenwald und die Weltwirtschaft kollabieren

Wissenschaftlicher Beirat der Regierung warnt vor massiven globalen Sicherheitsrisiken für den Fall ungebremsten Klimawandels

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Berlin - Ein ungebremster Klimawandel stellt nach Ansicht von Wissenschaftlern eine massive Gefahr für die internationale Sicherheit dar und könnte zu Flüchtlingsströmen und Verteilungskrisen oder zum Zusammenbruch der Weltwirtschaft führen. Bei der Vorstellung einer neuen Studie des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderung (WBGU) der Bundesregierung warnte der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber: „Es kann in diesem Jahrhundert keine friedliche Gesellschaft geben, wenn wir den Klimawandel nicht begrenzen können.“

Für die Bundesregierung stellten sich Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sowie Vertreter von Umwelt-, Außen- und Bildungsministerium hinter die Forderungen der Studie nach Risikominderung. „Der Klimawandel ist das größte Sicherheitsrisiko“, sagte Wieczorek-Zeul: „Wir brauchen Milliarden für Klimamaßnahmen und keine Investitionen in neue Rüstungssysteme.“

Nach Meinung des Mitautors und Entwicklungsforschers Dirk Messner kann ein Kollaps von Ökosystemen als Folge des Temperaturanstiegs zu „unkalkulierbaren Systemkrisen“ führen. So rechneten einige Wissenschaftler damit, dass als Folge eines Temperaturanstiegs von vier Grad der Regenwald kollabieren oder das zyklische Tropenphänomen Monsun zum Erliegen kommen könne. Zudem könne ein solcher Temperaturanstieg bis zu 35 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Afrika unfruchtbar machen.

Als besondere Risiken beschreibt der WBGU die Gefährdung der Wasserversorgung für Millionen von Menschen. Da weltweit Gletscher schmelzen und sich zudem die Niederschlagsmuster weltweit verändern, geraten mehrere 100 Millionen Menschen zusätzlich in „Wasserstress“. Schon heute haben 1,1 Milliarden Menschen weltweit keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mit der Wasserkrise geht auch eine Ernährungskrise einher. Heute sind weltweit mehr als 850 Millionen Menschen unterernährt. Der Klimawandel könnte die Ernährungsunsicherheit noch massiv verschärfen. Denn Wüstenbildung, Bodenversalzung und Wasserknappheit werden vor allem im Süden Afrikas, der Sahelzone, in China und Indien zunehmen. Eine Folge dieser Veränderungen dürfte ein verschärfter Migrationsdruck sein. Zudem steigt das Risiko von katastrophalen Wetterereignissen wie Starkregen, Sturmfluten oder Flutkatastrophen. All das kann insbesondere in schon heute schwachen Staaten zu einem weiteren Staatszerfall führen. Welche Konflikte und Sicherheitsrisiken daraus entstehen können, zeigen die Beispiele Afghanistan und Somalia deutlich.

Der WBGU weist darauf hin, dass der Klimawandel und die Notwendigkeit, ihn zu bekämpfen, in eine Umbruchsituation der globalen Machtverteilung fallen. Die einzige Supermacht USA verliert an Bedeutung, während gleichzeitig Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien an Gewicht gewinnen. Deshalb müssen zwei Herausforderungen parallel bewältigt werden, heißt es in dem Gutachten: „Die Machtverschiebungen im internationalen System sowie die globale Wende zu einer wirksamen Klimapolitik“. Als wichtigste Vorsorge gegen eine Zunahme der beschriebenen Sicherheitsrisiken beschreiben die Forscher eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad. In den kommenden zehn bis 15 Jahren müssten die Entscheidungen für einen wirkungsvollen Klimaschutz getroffen werden, sonst könnte es für die Erreichung dieses globalen Ziels zu spät sein.

Der WBGU mahnt daneben eine bessere Anpassung an den Klimawandel an. Das reicht von finanzieller Kompensation für die besonders betroffenen Regionen der Welt bis hin zu einem völkerrechtlichen Schutz von Umweltflüchtlingen, die im bisherigen Recht nicht vorgesehen sind.

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