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Politik: Wenn der Vorhang fällt

Von Corinna Visser Sommer-Theater, nächster Akt. Er lässt das Publikum ratlos zurück.

Von Corinna Visser

Sommer-Theater, nächster Akt. Er lässt das Publikum ratlos zurück. Vorstandschef Ron Sommer ist zurückgetreten, weil er nicht mehr das volle Vertrauen des Aufsichtsrats genießt. Aber die Entscheidung des Aufsichtsrats beendet das Drama um die Telekom noch lange nicht. Denn es gibt einen neuen Chef – nur bis auf Weiteres.

Helmut Sihler ist Manager im Ruhestand. Also wird er nicht der Mann sein, der die Telekom aus der Krise führt. Eine Interimslösung bedeutet außerdem, dass keine Ruhe in das Unternehmen einkehrt. Mit weit reichenden Folgen: Die Börse wird weiter nicht wissen, wohin die Telekom steuert, und auch die Verunsicherung der knapp 260000 Mitarbeiter hält an. Die Telekom ist vorerst lahm gelegt. Die Entscheidung ist auch deswegen fatal, weil niemand mehr glaubt, dass sie nicht politischem Druck geschuldet ist. Sommer als Opfer des Wahlkampfs – so sieht es aus.

Bleibt die Frage: Was hat er falsch gemacht? Ron Sommer, dieser stand bisher für die Telekom. Und umgekehrt. Sieben Jahre führte er das Unternehmen. Der Börsengang 1996 war ein großes Spektakel, und ein großer Erfolg. Sommer sagte, die T-Aktie sei eine sichere Investition fürs Alter; auch der damalige Finanzminister Waigel nannte das Papier eine Volksaktie. Heute wissen die Aktionäre, dass das nicht stimmt. Eine Aktie ist immer eine riskante Anlage: Diese Erkenntnis haben die Aktionäre teuer bezahlt. Und sie fordern Genugtuung. 2,8 Millionen unzufriedene Aktionäre sind auch 2,8 Millionen Wähler. Das hat Sommer nicht einkalkuliert.

Der langjährige Chef habe die Telekom mit der falschen Strategie in die Krise geführt, lautet der Vorwurf. Der Aktienkurs im Keller, der Schuldenberg hoch wie nie – befände sich allein die Deutsche Telekom in dieser Lage, Sommer säße zu Recht schon lange nicht mehr auf seinem Posten. Aber so ist es nicht. Andere Unternehmen dieser Größe in der Welt sind schlechter dran. Manche sind pleite.

Sommer habe in dieser Situation das falsche Signal gegeben, lautet eine weitere Kritik. Das stimmt: Den Aktionären die Dividende zu kürzen, dem Vorstand aber eine Gehaltserhöhung von 90 Prozent zu genehmigen, wirkt fast unanständig. Hier hat den Meister des Marketing das Gespür verlassen. Aber ist deswegen schon die ganze Strategie falsch?

Der Telekom-Chef hat auf UMTS gesetzt, allein 15 Milliarden Euro in Lizenzen für die neue Mobilfunktechnik investiert. Der Bundesfinanzminister, der Sozialdemokrat Hans Eichel, hat mitkassiert. Für ihn war das ein Segen, für das Unternehmen eine Katastrophe und für die Investoren das Signal: Raus aus der Aktie. Sie fürchteten, Sommer und die anderen Telekommunikationsmanager Europas hätten jedes Maß verloren, die hohen Investitionen würden in absehbarer Zeit nicht zu verdienen sein. Und tatsächlich fehlen noch immer die überzeugenden Argumente, warum sich Kunden bald massenweise für die neue Technik UMTS interessieren und viel Geld dafür ausgeben sollen. Aber: Sommer hatte keine andere Wahl. Wer keine Lizenz hat, hat keine Zukunft, hieß es im Jahr 2000. Noch ist keineswegs ausgemacht, dass UMTS tatsächlich ein Flop wird.

Sommer hat auf den amerikanischen Markt und dort auf Voicestream gesetzt. 35 Milliarden Euro hat die Übernahme des kleinen Mobilfunkanbieters gekostet. Zu teuer, keine Aussicht auf Erfolg, sagen Kritiker. Auch hier gilt: Die Kritik kommt zu spät – und zu früh. Auf der Hauptversammlung 2001 warfen Aktionärsvertreter Sommer vor, die Telekom sei nur „local hero“, nicht „global player“. Nun finden sie, die Expansion in die USA sei ein Fehler. Dabei ist der amerikanische, im Gegensatz zum europäischen, immer noch ein Wachstumsmarkt.

Für das Engagement hat Sommer als Telekom-Chef hohe Schulden in Kauf genommen, 67 Milliarden Euro. Die drücken den Konzern – aber sie bringen ihn nicht in Schieflage. Was könnte der neue Chef anders, besser machen: UMTS einstellen, Voicestream verkaufen, sich auf den deutschen Markt konzentrieren? Das hieße viele Milliarden abschreiben, verkaufen, und das in einer Zeit, in der die Preise am Boden sind. Ökonomisch sinnvoll ist das nicht. So wird auch ein neuer Vorstandsvorsitzender die alte Strategie verfolgen. Was für ein Theater. Viel Lärm, viel Schaden.

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