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Wenn Gesetze fehlen: Brot und Butter und Transparenz

Was geschieht, wenn die Volksvertreter sich weigern, nötige Gesetze zu erlassen? Vor diesem Problem steht das Bundesverwaltungsgericht, und der alte Streit um die Berliner Modemesse Bread and Butter fügt ihm jetzt eine neue Facette hinzu. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

In einer Demokratie sollen die Volksvertreter die Gesetze machen und Richter sie im Namen des Volkes auslegen. Was aber geschieht, wenn die Volksvertreter sich weigern, nötige Gesetze zu erlassen? Vor diesem Problem steht das Bundesverwaltungsgericht, und der alte Streit um die Berliner Modemesse Bread and Butter fügt ihm jetzt eine neue Facette hinzu.

Das Land Berlin sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hatten als gemeinsamer Eigentümer Teilflächen des Tempelhofer Flughafens an die Veranstalter der Messe vermietet. Ein von der Berliner Politik gefeierter, wirtschaftlich jedoch mäßiger Deal, wie seit Kurzem bekannt ist. Die höchsten Verwaltungsrichter in Leipzig haben die Bundesanstalt auf Klage einer Zeitung verpflichtet, Details des Mietvertrags offenzu- legen. Es war die zweite wichtige Entscheidung zum Verhältnis zwischen Staat und bürgerlicher Öffentlichkeit, seit sie vor zwei Jahren das Auskunftsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden umkrempelten. Seit damals gilt, dass Journalisten ein Grundrecht haben, über die Arbeit der Regierung informiert zu werden. Das Grundgesetz verpflichte den Gesetzgeber dazu, das alles genauer zu regeln. Weil dem Ratschluss des Parlaments aber nicht vorgegriffen werden dürfe, müsse sich die Presse bis dahin mit einem „Minimalstandard“ an Auskunftsrechten begnügen.

Damit tut das Gericht, was es vermeiden wollte, es setzt sich an die Stelle des Gesetzgebers

Im Fall Bread and Butter reichte das, trotz Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. In ihren Urteilsgründen, die jetzt vorliegen, halten die Richter an ihrer Maxime fest, dem Gesetzgeber den Vortritt zu lassen – um sie zugleich zu unterlaufen. Damit dem Staat Spielräume bleiben, was er durch Schweigen schützen will – etwa Geheimdienste – geben sie zugleich vor, wie weit diese Spielräume reichen dürfen. Täten sie dies nicht, wäre der „Minimalstandard“ ein Null-Standard. Sie sagen es noch klarer: Der staatliche Geheimschutz darf nur so weit gehen, wie wir im Einzelfall nach Abwägung der gegenläufigen Interessen entscheiden würden.

Damit tut das Gericht, was es vermeiden wollte, es setzt sich an die Stelle des Gesetzgebers. Das Bread-and-Butter-Urteil ist der Beleg, dass es nicht anders geht. Regierung und Parlament denken bislang nicht daran, dem vom Leipziger Gericht propagierten „Verfassungsauftrag“ für eine Neuregelung behördlicher Informationspflichten nachzukommen.

Wenn der Gesetzgeber die Gerichte im Regen stehen lässt, muss er sich nicht wundern, wenn diese selbst den Schirm zum Schutz der Grundrechte aufspannen. Ehrlicher wäre es gewesen, den „Minimalstandard“ gleich zu dem auszubauen, was er angesichts der Untätigkeit der Koalition in dieser Frage längst sein müsste, ein echter Standard. Sich staatliche Informationen beschaffen zu können, ist das Brot-und-Butter-Geschäft einer freien Presse.

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