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Politik: Wenn keiner kommt

Von Hermann Rudolph

Geäußert hat sich Klaus Töpfer zu den aktuellen Spitzenthemen, zum Ölpreis, zur weltweiten Bedeutung der Umweltpolitik, zur Notwendigkeit des effektiven Umgangs mit Energie. Lauter kluge Gedanken. Aber in Berlin ist – nach fünf Tagen – von dem Interview mit der Wiener Zeitung „Die Presse“ nur ein Satz angekommen. Sein Inhalt: Was der frühere Umweltminister an deutscher Innenpolitik hinter sich hat, „reicht für ein Leben“. Er schlug ein wie eine Bombe.

Tatsächlich kann er schwerlich anders gedeutet werden denn als Absage an eine CDU-Kandidatur bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September. Natürlich kann man sich einreden, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Aber besser ist es vermutlich, sich klar zu machen, dass damit ein wichtiges Signal für die in neun Monaten anstehende Entscheidung über die künftige Berliner Politik gestellt ist: Wowereit forever, jedenfalls für die nächsten fünf Jahre. Er kann sich sogar seine Koalitionen aussuchen – Rot-Rot, wenn er’s weiter bequem haben will, Rot-Grün, wenn es etwas spannender werden soll. Die CDU bleibt im Abseits. Angesichts der miserablen Lage, in der sie sich befindet, ein Desaster vor allen Wahlergebnissen.

Denn es wäre ein Wunder, wenn die Partei demnächst einen Spitzenkandidaten aus dem Hut ziehen würde, der ihr dieses Schicksal erspart. Daran lässt schon der blamable Verlauf des Projekts Töpfer zweifeln. Man kann es ja nur für ein Symptom erstaunlicher politischer Unbeholfenheit nehmen, dass eine hochmögende Findungskommission den gewünschten Hoffnungsträger – wie sie eben bekannte – nicht einmal an die Strippe bekommt. Und man möchte wirklich wissen, was sich hinter dem „Zeitplan“ verbirgt, in dem die Partei, wie ihr Generalsekretär erklärt, bei derKandidatenssuche gleichwohl „liegt“.

Die bittere Wahrheit ist, dass die Berliner CDU seit den letzten Abgeordnetenhauswahlen, die sie auf den Status der Einflusslosigkeit zurückwarfen, mit ihrer Neuaufstellung keinen Schritt weiter gekommen ist. Stattdessen hat sie die paar Hoffnungsfiguren, die sie hatte, Peter Kurth zum Beispiel, der doch ein begabter Finanzsenator war, oder den brillanten Moderator Christoph Stölzl, aus ihrem Aufgebot entfernt. Nun herrscht dort das kleine Kiez-Karo.

Es ist ein Zustand, der eigentlich auch die Bundes-CDU nicht gleichgültig lassen kann. Berlin ist nicht irgendeine Stadt, sondern die Hauptstadt, von der aus sie nun wieder die Regierungsgeschäfte betreibt. Müsste sie nicht ein Interesse daran haben – nicht zuletzt die Bundeskanzlerin, Wohnsitz Berlin-Mitte –, dass die Stadt der Union nicht gänzlich entgleitet? Kann sie es sich leisten – bei dem Führungsanspruch, den sie für die Bundesrepublik erhebt –, diese Berliner Partei sich selbst zu überlassen? Sollte sie als die innovative konservativ-liberale Kraft, die sie sein will, diese Stadt mit ihrer Offenheit und ihren vielfältigen Milieus nicht als Werkstatt betrachten, um künftige Konstellationen zu erproben, Schwarz-Grün, Jamaika oder was sonst? Aber natürlich stellt sich auch die Frage, ob das bürgerliche Berlin weiter zusehen will, wie eine Partei, die doch den Gang der Stadt für zwei wichtige Jahrzehnte mitbestimmte, sich selbst aufzehrt.

Die Perspektive, die Töpfers Erklärung aufreißt, betrifft nämlich nicht nur die CDU, sondern die Stadt insgesamt. Es steht nicht so gut um Berlin, dass es sich nicht hochkritisch fragen müsste, in welchem Zustand seine Politik, seine Institutionen und seine Parteien sind. Eine Opposition, die auf lange Zeit gar nicht mehr an die Herausforderung denken kann, Regierung zu werden, verliert auch das Gewicht, das sie zu einer ernst zu nehmenden Opposition macht. Eine Regierung, der keine Opposition gegenübersteht, die sie aus dem Sattel stoßen kann, droht die Gefahr der Selbstgerechtigkeit. Das sind, gewiss doch, wohlfeile Einsichten aus dem politischen Katechismus. Aber es brächte die Stadt um die Chancen, die sie trotz aller Schwierigkeiten hat, wenn sich ihre Wahrheit am politischen Berlin bewiese.

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