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Politik: Wer brach das Tabu?

Manche in Sachsens CDU glauben, die Stimmen für die NPD kamen aus den eigenen Reihen

Auch am Tag danach war das Entsetzen noch groß. Nach dem überraschend guten Abschneiden des NPDKandidaten wurde in Dresden am Donnerstag im Plenum heftig spekuliert, wer von den demokratischen Parteien dem Rechtsextremen seine Stimme gab. In der CDU hält man es für denkbar, dass die Urheber in den eigenen Reihen sitzen. „Irgendwelche Heckenschützen aus der fünften Reihe“, wie ein Unionsmann es ausdrückte. Nur offen sagen will dies niemand.

Die offizielle Version geht anders. Es sei völlig abwegig, dass CDU-Abgeordnete für die NPD gestimmt hätten, versicherte Ministerpräsident Georg Milbradt. „Ausgeschlossen.“ Wer war es dann? Im CDU-Lager zeigt man in Richtung PDS. Innenminister Thomas de Maiziere sprach von „Chaotenstimmen aus der PDS, die einen Sprengsatz werfen wollten“. Ein anderer Abgeordneter der Union äußerte die Vermutung, dass die PDS die Gelegenheit nutzte, um die CDU in die rechte Ecke zu rücken. Der parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, Andre Hahn, wies dies als absurd zurück. Die PDS-Abgeordneten hätten definitiv nicht für den NPD-Mann Uwe Leichsenring gestimmt. Der hatte bei der Wahl des Ministerpräsidenten am Mittwoch in beiden Wahlgängen 14 Stimmen erhalten, zwei mehr als die NPD Abgeordnete hat.

SPD-Landeschef Thomas Jurk forderte, die fraglichen Abgeordneten sollten sich zu erkennen geben. Sie sollten so konsequent sein und sich zur NPD-Fraktion setzen, sagte er. Zugleich rief er zur Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut auf.

In den Hintergrund rückte bei der Aufregung um die unerwarteten Stimmen für die NPD, dass Sachsens Koalition perfekt ist. Milbradt, dem am Mittwoch fünf Abgeordnete aus dem Regierungslager die Stimme verweigert hatten und der so erst im zweiten Wahlgang gewählt worden war, übergab am Morgen die Ernennungsurkunden. Verschnupft ist man in der CDU, dass ausgerechnet die beiden „Zukunftsressorts“ Wirtschaft und Wissenschaft nun in der Hand der Sozialdemokraten sind. Die SPD stellt mit Parteichef Jurk den Wirtschaftsminister, die Sozialpolitikerin Barbara Ludwig wird Wissenschaftsministerin. Für die CDU wechselt Thomas de Maiziere vom Justiz- ins Innenressort. Umweltminister Steffen Flath wird Chef des Kultusressorts. Beide seien mit dem Wechsel für ihre Loyalität Milbradt gegenüber belohnt worden, hieß es. Vor allem de Maiziere gilt als fachlich fähig und ehrgeizig.

An ihre Stelle rücken Justizstaatssekretär Geert Mackenroth sowie Staatskanzleichef und Staatsminister für Europaangelegenheiten Stanislaw Tillich. Nachfolger von Tillich wird einer der engsten Milbradt-Vertrauten, CDU-Generalsekretär Hermann Winkler. In der Partei hatten einige nach der vergeigten Landtagswahl zuletzt seinen Kopf gefordert. Dass er nun mit einem Ministerposten „belohnt“ wird, könnte die Stimmung gegen Milbradt weiter anheizen. Sozialministerin Helma Orosz und Finanzminister Horst Metz behalten ihre Posten.

Die CDU hatte bei der Landtagswahl im September rund 16 Prozentpunkte eingebüßt, ihre absolute Mehrheit verloren und ist erstmals seit der Wiedervereinigung auf einen Koalitionspartner angewiesen.

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