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Politik: Wer dem Feind hilft, stirbt

Erstmals ermordeten Palästinenser eine mutmaßliche Kollaborateurin – aus Not arbeiten immer mehr ihrer Landsleute für Israel

Von Andrea Nüsse, Amman

Kollaboration mit dem Feind hat es in allen Konflikten der Welt gegeben. Der palästinensisch-israelische Konflikt ist keine Ausnahme. Im Gegenteil: Durch die israelische Besatzung, die Checkpoints und die Inhaftierung tausender Palästinenser gibt es zahlreiche Kontakte zwischen beiden Seiten, die Israel die Anwerbung von Kollaborateuren erleichtern. Insbesondere für die gezielten Exekutionen von unliebsamen Palästinensern braucht Israel die Mithilfe der Kollaborateure: Sie informieren die israelische Armee, wann und wo die gesuchte Person das Haus verlässt, das Auto besteigt, das Büro betritt. Daraufhin werden die israelischen Raketen in Marsch gesetzt.

Nie zuvor hat Israel die Politik der gezielten Ermordung so massiv eingesetzt wie in dieser Intifada – nach Angaben israelischer Menschenrechtsorganisationen ermordete die Armee Hunderte politischer Aktivisten. Dies ist möglicherweise auch der Grund, warum Verräter seit Ausbruch der zweiten Intifada im September 2000 immer härter verfolgt werden. So wurde am Wochenende die 35-jährige Ikhlas Khuli wegen Verrats von Mitgliedern der Al-Aksa-Brigaden ermordet. Der von Kugeln durchsiebte Körper der Mutter von sieben Kindern wurde auf offener Straße gefunden. Zuvor soll die Frau zugegeben haben, ihren Sohn Bakr zur Zusammenarbeit mit den Israelis rekrutiert zu haben. Er sollte Informationen über die Aufenthaltsorte des lokalen Al-Aksa-Führers Ziad Daas sammeln, den die israelische Armee am 7. August umbrachte. Der 17-jährige Sohn Bakr hatte seine Mutter während eines „Verhörs“ durch die militante Palästinensergruppe „verpfiffen". Am Sonntag erklärte er, die Geschichte habe er nur erfunden, um der Folter zu entkommen.

Ikhlas Khuli ist damit die erste Frau, die wegen Kollaboration von palästinensischen Gruppen ermordet wurde. Im April, während der israelischen Militäroffensive, wurden elf in palästinensischen Gefängnissen inhaftierte Kollaborateure umgebracht. Damit sollte verhindert werden, dass sie von der israelischen Armee „befreit“ werden. Im vergangenen Jahr waren sogar vier Kollaborateure von einem palästinensischen Gericht zum Tode verurteilt worden. Dafür machen Beobachter den zunehmenden Druck der Straße verantwortlich.

Der palästinensische Politologieprofessor Ali Jerbawi hat das Phänomen der Kollaboration, ein großes Tabuthema in der palästinensischen Gesellschaft, studiert. Er macht die extreme wirtschaftliche Not dafür verantwortlich, dass Palästinenser heute bereits für wenig Geld angeworben werden können. Größtenteils wird der Kontakt in israelischen Gefängnissen aufgenommen. Für zunächst kleine Gegenleistungen wird die Haft verkürzt oder die Einreiseerlaubnis für die Braut aus Jordanien gewährt. Dafür müssen die Kollaborateure palästinensische Aktivisten beobachten, die Israel töten will. In den vergangenen Monaten hat Israels Armee tausende palästinensischer Männer festgenommen. Offiziell begründet wurde dies mit dem Kampf gegen den Terror. Beobachter sehen darin jedoch auch den Versuch, erneut massenhaft Kollaborateure anzuwerben.

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