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Politik: Wer den Fan für dumm verkauft

IN SACHEN FUSSBALL

Von Sven Goldmann

Rudi Völler? Oliver Kahn? Wer steht noch auf Leo Kirchs Liste? Nichts erscheint mehr unmöglich, seitdem bekannt wurde, dass der Filmhändler auf seinem Weg in die Insolvenz nicht nur die deutsche FußballIkone Franz Beckenbauer, sondern auch noch dessen Klub Bayern München auf seiner geheimen Gehaltsliste hatte. Als Unternehmer spielt Kirch keine Rolle mehr, und im Grunde ist sein Name austauschbar. Es geht nur vordergründig um seine geheimen Gaben an den FC Bayern München und die Beraterverträge, mit denen er sich so genannte Entscheider wie Beckenbauer oder Fedor Radmann, den Vizepräsidenten des deutschen WM-Organisationskomitees, möglicherweise gewogen gemacht hat. Es ist die Gewissheit, dass weitere Enthüllungen bevorstehen, und die Möglichkeit, dass da vielleicht eine unkontrollierte Macht Einfluss in nicht geahntem Maß auf den deutschen Fußball gewonnen hatte.

Auf dem Spiel steht ein kostbares Gut: das Vertrauen des Konsumenten. Wie viel Show, Geld und Einmischung verträgt der Fußball, ja der gesamte Sport, ohne dass er seine Faszination als ehrliche Auseinandersetzung, als berechenbare Größe in einer immer komplizierter werdenden Welt verliert? Wie sehr dürfen sich Klubs mit Mächten der Finanzwelt gemein machen, ohne dass sich der Konsument am Ende der Unterhaltungskette verliert?

Das deutsche Publikum verzeiht viel, schlechte Spiele, verschossene Elfmeter, sogar eine furchtbare Europameisterschaft wie die im Jahr 2000. Nur eines lässt das Publikum nicht durchgehen: Wenn es für dumm verkauft werden soll. Den Fußballtrainer Christoph Daum hat es nicht wegen dessen Kokainkonsums verstoßen, schon eher, weil er so dreist gelogen hat, am meisten aber, weil er sich für seine Lügen das Mitleid der Öffentlichkeit erkauft hat.

Es war ein Mangel an Vertrauen, der die Fußball-Bundesliga einmal an den Rand des Abgrunds bugsiert hatte. Das war 1971: Arminia Bielefeld und Kickers Offenbach wollten mit finanzieller statt sportlicher Leistung den Abstieg verhindern und fanden Helfer bei den Spielern von Hertha BSC und Schalke 04. Natürlich ist die jetzige Situation mit damals nicht gleichzusetzen. Aber eines sollte eine Lehre sein: Die Traditionsklubs aus Berlin und Gelsenkirchen haben an der Rehabilitation für diesen Betrug bis in die jüngste Vergangenheit gearbeitet, noch heute haftet ihrem neuen Ruf als seriöse Unternehmen der Makel der Bewährung an.

Nicht nur der Fairness halber ist festzuhalten, dass sich der FC Bayern München nach jetzigem Kenntnisstand juristisch nichts hat zu Schulden kommen lassen. Die Münchner haben sich von der Kirch-Gruppe ihre Stellung als Marktführer honorieren lassen. Aber das Kritikwürdige daran ist ja auch nicht, dass der FC Bayern einen Vertrag mit Kirch hatte, sondern dass niemand davon wusste. Die vermögenden Bayern, die bisher noch jeden Werbevertrag in der Öffentlichkeit stolz und zu Recht als Ergebnis ihr professionellen Strukturen zu verkaufen wussten – sie schwiegen drei Jahre lang zu einem Geschäft, bei dem sie nach Einschätzung ihres Spin Doctors Uli Hoeneß mal wieder „cleverer als der Rest der Welt“ waren. Bis heute aber hat der Verein keine so recht befriedigende Erklärung für sein Schweigen gegeben.

Zwei Fragen drängen sich auf. War das Geschäft mit dem Filmhändler doch nicht so sauber, wie es die damals handelnden Personen heute sagen? Oder war ihnen von vornherein bewusst, dass sich da die Kluft zwischen Arm und Reich in der Liga noch weiter zu Gunsten des Reichsten öffnete, obwohl der als Marktführer auch noch von Solidarität sprach? In beiden Fällen würde die Vormachtstellung weiter zementiert, auf dass die Wahrscheinlichkeit sportlicher Überraschungen gegen null tendiere.

Die Faszination des Fußballs beruht auf zwei Säulen. Die erste: Er ist einfach zu verstehen. Die zweite: Niemand weiß vorher, wer am Ende gewinnt. Wie viel Geschäft verträgt der Sport? Genau so viel, dass diese Säulen nicht ins Wanken geraten. Der Sport darf sich nicht verkaufen, darf keinen zwischen das Spiel, die Spieler und ihr Publikum lassen. Beim Geschäft mit Kirch ist diese Linie überschritten worden. Aber immerhin, dank Kirchs Pleite wissen wir es jetzt. Und damit gewinnt der Fußball eine neue Chance.

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