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Politik: Wer einmal kifft

Von Jost Müller-Neuhof Lichter hüpfen, alles wird irgendwie langsamer, und das Ampelglas hat so interessante Äderchen, dass sie in den unendlichen Rotphasen eingehend betrachtet werden müssen – so sieht der Kiffer am Steuer die Welt, sagen Experten. Kein Zweifel: Wer Hasch raucht, ist falsch im Straßenverkehr.

Von Jost Müller-Neuhof

Lichter hüpfen, alles wird irgendwie langsamer, und das Ampelglas hat so interessante Äderchen, dass sie in den unendlichen Rotphasen eingehend betrachtet werden müssen – so sieht der Kiffer am Steuer die Welt, sagen Experten. Kein Zweifel: Wer Hasch raucht, ist falsch im Straßenverkehr. Allerdings nur, wenn er Drogen und Autofahren nicht trennen kann, entschied jetzt das Verfassungsgericht. Der am Freitag veröffentlichte Beschluss (1 BvR 2062/96) räumt auf mit der Behördenpraxis, Gelegenheitskonsumenten, von denen es in Deutschland über drei Millionen gibt, einfach die Führerscheine abzunehmen.

Den höchsten Richtern lag der Fall eines Freiburger Autofahrers vor, der mit fünf Gramm Hasch aus Holland eingereist war. Die Stadt forderte ihn auf, sich auf Drogen untersuchen zu lassen. Als der Mann sich weigerte, zog sie seinen Führerschein ein. Dagegen wehrte er sich – bis er in Karlsruhe Recht bekam.

Nach dem Straßenverkehrsgesetz verliert jemand die Fahrerlaubnis, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Freilich blieb es den Behörden überlassen, in Sachen Cannabis dafür Maßstäbe zu finden. Man machte es sich einfach: Wer mit der Droge erwischt wurde und nicht zum so genannten Drogenscreening ging, galt in vielen Bundesländern automatisch als Sicherheitsrisiko. Dieses Vorgehen verstößt gegen die Verfassung, mahnten jetzt die Richter. Wer Cannabis im Straßenverkehr nur mit sich führt, muss nicht gleich zum Drogentest – und schon gar nicht darf ihm bereits auf dieser Grundlage der Führerschein entzogen werden. Juristisch gesprochen: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist hier verletzt. Vielmehr muss ein echter Verdacht vorliegen, dass sich jemand benebelt hinters Steuer setzt. So war es bei einem anderen Fahrer, über den das Gericht zu entscheiden hatte. In seinem Aschenbecher fand man noch Reste eines Joints.

Der Beschluss unterstreicht, was die Karlsruher Richter bereits vor Jahren verlangt haben: Dass der Besitz von kleinen Haschischmengen straffrei bleiben muss – und auch nicht durch ein Hintertürchen doch noch sanktioniert werden darf. Die Grünen dringen nun darauf, beim Cannabis am Steuer wie beim Alkohol zu differenzieren. Die vom Gericht angeforderten medizinischen Gutachten stützen sie dabei. Zwei Joints und danach zwei Stunden Pause seien in der Wirkung zwischen 0,5 und 0,8 Promille anzusiedeln. Und: Jemand, der einen Joint raucht, ist so wenig ein notorischer Kiffer wie jemand, der ein Glas Wein trinkt, gleich ein Säufer ist.

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