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Politik: Wer ist die Partei?

Dem SPD-Chef ist die Unruhe zu groß geworden: Schröder will nun seine Reform-Agenda mit allen beraten

Von Hans Monath

Von Hans Monath

Zuletzt ist der Druck zu groß geworden. Wochenlang hatte sich SPD-Generalsekretär Olaf Scholz gleichsam taub gestellt und einen Sonderparteitag immer wieder für unnötig erklärt. Doch als sich mit Schleswig-Holstein am Sonnabend der dritte Landesverband der SPD der Forderung nach einer Entscheidung von Delegierten über das ungeliebte Reformprojekt „Agenda 2010“ anschloss und zur Strafe für die Führung gleich noch ihren Landesvorsitzenden, Gesundheits-Staatssekretär Franz Thönnes, abwählte, musste die SPD-Spitze handeln. Denn am Freitag hatten linke Sozialdemokraten, unter ihnen zwölf Bundestagsabgeordnete, auch das erste Mitgliederbegehren der Parteigeschichte auf den Weg gebracht. Ziel der Initiative ist es, die Reformpläne des Kanzlers zu stoppen.

Die kritischen Parlamentarier machten zudem deutlich, dass sie sich auch durch eine Intervention von Fraktionschef Franz Müntefering nicht beeindrucken ließen. Der Abgeordnete Rüdiger Veit etwa spricht seinem Fraktionschef schlicht die Zuständigkeit ab: „Das ist keine Angelegenheit der Fraktion, es ist eine Angelegenheit der ganzen Partei“, sagte Veit dem Tagesspiegel. Müntefering hatte offensichtlich darauf, gesetzt, dass der Auftritt von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement in der Fraktion am Dienstag etliche Kritiker besänftigt hatte. In einem Brief an die Organisatoren der Aktion beschwerte er sich, Reform-Inhalt und -Zeitplan seien doch abgestimmt gewesen. Der Aufruf sei deshalb „unfair“, klagte Müntefering und verlangte ein Gespräch mit den Dissidenten.

Zwar heißt es aus der SPD-Fraktion, es handle sich bei der Intervention Münteferings keineswegs um eine Drohung und jede Parallele zum Mazedonienkonflikt, in dem der damalige SPD-Generalsekretär Abweichlern in der Fraktion mit Abstrafung drohte, sei absurd. Doch der Riss zwischen dem Fraktionschef und den zwölf Bundestagsabgeordneten, die zu den Erstunterzeichnern des Mitgliederbegehrens gehören, ist groß. Zu den Politikern, die durch Schröders Politik das sozialdemokratische Profil in Gefahr sehen, „Steuersenkungen für Reiche“ ablehnen, eine Vermögenssteuer fordern und vor Einschnitten beim Kündigungsschutz warnen, gehören neben dem Sozialpolitiker Ottmar Schreiner auch IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel und Johanno Strasser, prominentes Mitglied der SPD-Grundwertekommission.

Die Werbeaktion für einen Aufstand der Parteibasis gegen die eigene Führung war offenbar von langer Hand vorbereitet worden. Darauf deutet zumindest die professionelle Webseite www.mitgliederbegehren.de hin, die bis hin zu Farbwahl und Logos als perfekte Kopie des offiziellen Auftritts der SPD im Netz gestaltet ist. Unter dem anspruchsvollen Titel „Wir sind die Partei“ stellen die Dissidenten dort etwa Vorlagen für Unterschriftenlisten oder „Musterartikel für Zeitungen und Zeitschriften“ zur Verfügung.

Der Beschluss von Parteichef Gerhard Schröder, den Unmut von oben zu kanalisieren und nun doch einen Sonderparteitag einzuberufen, könnte freilich schon zu spät kommen. Auf die Frage, ob das Entgegenkommen der Parteiführung die Trommler gegen die Reform zum Einlenken bringen werde, sagt Erstunterzeichner Rüdiger Veit: „Es kommt darauf an, was der Sonderparteitag beschließen wird.“ Zufrieden geben wollen sich die Initiatoren des Basis-Aufstands nur, wenn das Renommierprojekt der rot-grünen Koalition gestoppt wird. „Ansonsten“, kündigt Rüdiger Veit an, „läuft das Begehren weiter“.

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