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Politik: Wer kommen und wer bleiben darf

Der Bundestag hat das neue Asyl- und Ausländerrecht verabschiedet – es stößt auf viel Kritik

Berlin - Krasser können die Bewertungen des neuen Zuwanderungsrechts nicht auseinander liegen: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht von einer gelungenen Mischung aus „Fordern und Fördern“, bei Menschenrechtsgruppen, Kirchen, Gewerkschaften und sogar in den UN herrscht teils blankes Entsetzen. Gegen die Stimmen der Opposition hat die schwarz-rote Regierungskoalition am Donnerstag im Bundestag das Ausländer- und Asylrecht tiefgreifend verändert. Die Gesetzesänderung war nötig geworden, weil Deutschland elf EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen musste. Darüber hinaus haben SPD und Union in anderthalbjährigen Verhandlungen zahlreiche Neuregelungen etwa zum Nachzug von Ehegatten oder zur Einbürgerung erlassen.

Das Gesetz deshalb umstritten, weil es nach Ansicht von Amnesty International oder dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen das Ausländerrecht verschärft, obwohl die EU-Richtlinien ursprünglich Erleichterungen für Flüchtlinge vorsehen. Zuletzt hatten bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss sieben von zehn Sachverständigen dem Gesetz gravierende Mängel attestiert, darunter Verstoß gegen die EU-Richtlinien und Verfassungswidrigkeit.

Unumstritten ist jedoch die wichtigste Neuregelung. Sie betrifft das Bleiberecht. So bekommen geduldete Flüchtlinge ein Aufenthaltsrecht, wenn sie am Stichtag 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren (Alleinstehende) oder sechs Jahren (Familien mit minderjährigen Kindern) in Deutschland leben. Sie müssen Deutsch können, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, und sie dürfen nicht straffällig geworden sein. Zudem müssen sie bis Ende 2009 eine Arbeit finden. Wie viele der 180 000 in Deutschland Geduldeten betroffen sind, ist ungewiss.

Für die SPD war diese Altfallregelung die Voraussetzung, dem Kompromiss zuzustimmen. Bei anderen Punkten sei ihr das „nicht leicht gefallen“, sagte der Innenausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy. Wie sehr die SPD mit sich gerungen hatte, zeigte sich in der anschließenden Abstimmung: 21 SPD-Abgeordnete votierten gegen das Gesetz, fünf enthielten sich.

Zu den strittigsten Punkten zählte insbesondere die Einschränkung des Ehegattennachzugs. So müssen Ehegatten aus Nicht-EU-Staaten in Zukunft mindestens 18 Jahre alt sein und Deutschkenntnisse vorweisen. Innenminister Schäuble begründete dies mit dem Kampf gegen Zwangsehen bei in Deutschland lebenden Türken. Von der Regelung ausgenommen sind daher bestimmte Länder wie die USA und Japan, aber auch Honduras.

Die Grünen halten diese Ungleichbehandlung für verfassungswidrig, wie ihr Einwanderungsexperte Josef Winkler kritisierte. Er bezeichnete das Gesetz als umfangreichstes Paket zur Einschränkung von Ausländerrechten seit dem Asylkompromiss 1993. SPD-Mann Edathy gab zu, er sei „gespannt“, wie das Bundesverfassungsgericht die Frage des Ehegattennachzugs entscheiden werde. Er wäre „nicht unglücklich“, wenn diese Regelung „gekippt“ würde. Parlamentarier von SPD und Grünen griffen die Union darüber hinaus an, weil sie nichts dagegen tun wolle, dass Frauen, die im Ausland zwangsverheiratet werden, nach sechs Monaten ihr Rückkehrrecht verlieren. In Deutschland Zwangsverheirateten wird hingegen das Aufenthaltsrecht entzogen, wenn sie sich frühzeitig scheiden lassen.

Weitere Regelungen des Gesetzes betreffen die Integration von Ausländern. Wer künftig nicht an einem verpflichtenden Integrationskurs teilnimmt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 1000 Euro rechnen. „Integration durchsetzen“, nannte dies der innenpolitische Sprecher der Union, Hans-Peter Uhl. Mit Blick auf die SPD-Fraktion sagte er: „Wir mussten Sie abholen bei Rot-Grün.“ Die Einbürgerung junger Ausländer wird in Zukunft erschwert. Sie müssen nun schon ab dem 18. Lebensjahr nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, wenn sie Deutsche werden wollen. Vorher mussten sie dies ab dem 23. Lebensjahr. Der FDP-Innenexperte Hartfried Wolf bemängelte, dass das Gesetz keine Regelung zur Einwanderung qualifizierter Ausländer beinhaltet. Er forderte ein Punktesystem, um diese Zuwanderung zu steuern. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte dem Tagesspiegel, dass er trotz des Drängens von Arbeitgebern und Gewerkschaften in dieser Legislaturperiode nicht mehr damit rechne.

Flüchtlingsorganisationen griffen die Verschärfung des Asylrechts scharf an. So können Flüchtlinge in Zukunft schon an den Grenzen bis zu sechs Monate in „Zurückweisungshaft“ genommen werden. Opfern von Folter oder Vergewaltigung wird im Widerspruch zur EU-Richtlinie keine medizinische Hilfe gewährt.

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