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Politik: Wer noch fliehen kann, der flieht

Sie sind gestrandet zwischen ihrer Heimat, aus der sie vor Dürre, Hunger und Bomben fliehen wollen, und den Grenzen zu Pakistan und Iran, die für sie geschlossen bleiben. Die Flüchtlinge aus Afghanistan hungern, es gibt zu wenig Toiletten, Kinder werden krank.

Sie sind gestrandet zwischen ihrer Heimat, aus der sie vor Dürre, Hunger und Bomben fliehen wollen, und den Grenzen zu Pakistan und Iran, die für sie geschlossen bleiben. Die Flüchtlinge aus Afghanistan hungern, es gibt zu wenig Toiletten, Kinder werden krank. Und doch ist all dieses Elend nur die Spitze des Eisbergs, es lässt nur ahnen, wie groß die Not von Millionen Menschen in Afghanistan ist, die nicht einmal mehr fliehen können.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Alarmierend ist die Lage in Spin Boldak. Die Stadt liegt kurz nahe dem pakistanischen Grenzort Chaman, 3000 Menschen leben dort in einem Lager. "Es mangelt an Unterkünften, an Essen, an sanitären Anlagen", sagt Peter Kessler vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Viele Menschen müssen im Freien campieren. Wenn das freie Feld als Toilette dient, bedeutet das vor allem für Frauen, dass sie nur im Dunkeln ihre Notdurft verrichten können - Qual und gesundheitliches Risiko zugleich.

Spin Boldak liegt in Kandahar, an der Grenze zur pakistanischen Provinz Belutschistan. Etwas weiter westlich gibt es in Makaki nahe dem iranischen Grenzort Sabol ein Lager, in dem 7000 Flüchtlinge festsitzen. Pakistan und Iran haben ihre Grenzen geschlossen. In beiden Ländern leben nach 22 Jahren Krieg und Bürgerkrieg bereits fünf Millionen Afghanen. In Pakistan sind es bis zu drei Millionen Flüchtlinge, und Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf befürchtet, ihre Zahl werde sich verdoppeln, wenn er die Grenzen öffne: "Sie aufzunehmen ist einfach nicht möglich."

An der Grenze zu Pakistan kam es schon zu Unruhen, weil sich die Flüchtlinge nicht durch Wachposten und Stacheldraht aufhalten lassen wollten. Pakistan und Iran haben sich deshalb mit den Taliban arrangiert: Die Taliban halten ihre Landsleute in den Lagern in Spin Boldak und Makaki zurück. Dort aber ist es für das UNHCR sehr viel schwerer, sie zu versorgen, als wenn sie über die Grenze kämen. Kessler kritisiert die Taliban, Iran und Pakistan: "Menschen, die zu fliehen versuchen, sollte es erlaubt werden zu fliehen."

Über die Zustände in Spin Boldak und Makaki gibt es immerhin Berichte von Flüchtlingen, die es trotz allem über die Grenze schaffen. Zugleich wächst in Afghanistan das stumme Elend: "Was wir von den Flüchtlingen wissen, ist der sichtbare Teil. Aber dies ist wohl nur die Spitze des Eisbergs der Not in Afghanistan", fürchtet Stephanie Bunker von den UN in Islamabad.

Vor allem im Norden werde die Lage mit dem beginnenden Winter immer schwieriger, sagt Bunker. Das sieht auch die Hilfsorganisation Oxfam so. In den Provinzen Farjab, Ghor, Balch und Badghis werde das Essen schon knapp: "Wir befürchten nun, dass die Zeit abläuft."

Der afghanische Ex-König Sahir Schah glaubt, dass eine Million Menschen verhungern könnten. Wenn nicht rasch Hilfe eintreffe, sei es für viele Not leidende Menschen zu spät, mahnt er. UN-Generalsekretär Kofi Annan gesteht öffentlich ein, dass nur die Hälfte der benötigten Lebensmittel Afghanistan im Moment erreicht: "Wir erfüllen unsere Ziele nicht." Eine Unterbrechung der US-Angriffe, die Absprachen mit den Taliban über eine Versorgung der Hungernden ermöglichen könnte, ist aber nicht in Sicht.

Jürgen Hein

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