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Politik: Wer ohne Sorgen ist, schafft sich welche

CDU UND CSU IM STREIT

Von Robert Birnbaum

Wenn sich Machtverhältnisse neu sortieren, schlägt das Funken. Im Schatten des IrakKrieges rangelt die Union mit sich selbst um die Frage, wer hinterher, wenn sich der Blick wieder von den Schlachtfeldern zur Innenpolitik wendet, in der Opposition den Ton angibt. Auf den ersten Blick geht es um altbekannte Konflikte – CDU gegen CSU, „Berlin“ gegen „München“, Sozial- gegen Wirtschaftspolitiker, auch: Angela Merkel gegen Edmund Stoiber. Aber was nur wie eine Neuauflage wirkt, ist in Wahrheit etwas Neues.

Entzündet hat sich der Zank nicht zufällig an der Etikette. Niemand bestreitet dem CSU-Chef und Landtagswahlkämpfer Stoiber das Recht, am Wettlauf um das beste Reformkonzept für Deutschland teilzunehmen. Alle in Berlin – auch seine eigenen Leute – sind aber sauer, dass er sich im Alleingang als Super-Reformer geriert. Diese Säuernis entspringt nicht zuletzt dem Gefühl, dass Stoibers Legitimation als Nummer eins der Union abgelaufen ist. Der Mann hat die letzte Bundestagswahl verloren und wird die nächste nicht gewinnen – was mischt er sich ins Hauptstadt-Geschäft!

Stoiber aber kann es nicht tatenlos hinnehmen, auf das Niveau eines Regionalfürsten geschrumpft zu werden. Dafür sind seine Bayern zu verwöhnt. Erstens politisch – die CSU versprach immer starke Interessenvertretung im Bund. Zweitens ökonomisch. Mit der Insel der Seeligen im Süden ist es aber vorbei. Regionalpolitik hilft nicht gegen Globalisierung; die Rahmenbedingungen werden entscheidend. Die setzt der Bund. Stoiber – wie übrigens alle Landeschefs – muss soviel Bundespolitik machen wie nie zuvor.

Merkel wiederum kann nicht zulassen, dass Stoiber sich unwidersprochen mit Radikal-Vorstößen profiliert, die für München taugen mögen, für den Rest der Republik nicht. Sie kann erst recht nicht zulassen, dass ihre stärkste Leistung als Oppositionsführerin – zwischen allen Flügeln der Fraktion eine Verständigung über einige schwierige Fragen wie den Kündigungsschutz herbeizuführen – aus Bayern einfach beiseite gewischt wird. Wenn das Schule macht, können sich die Union als Gesamtformation und Merkel als CDU-Vorsitzende von der Bühne verabschieden und sie den Länder-Chefs im Bundesrat überlassen.

Der Zank ist also unvermeidlich. Aber wie dumm ist er! Wer nicht unter der Käseglocke sitzt, die den Reichstag ebenso einhüllt wie die Münchner Staatskanzlei, kann sich nur die Augen reiben. Hat sich nicht ein in die Ecke gedrängter Kanzler genötigt gesehen, den Reformator zu geben? Hat nicht die Union die Umfrage-Hoheit über die Stammtische, und das immer noch und trotz Merkels, gelinde gesagt, unpopulärer Pro-Amerika-Haltung im Krieg?

Aber statt diese starke Position zu festigen und auszubauen, statt sich als diejenigen zu präsentieren, die wissen, wie Deutschland aus der Misere kommen könnte – stattdessen leisten sich CDU und CSU, Berlin und München einen Wettbewerb der Eitelkeiten. Denn mehr ist es nicht, und das ist das besonders Ärgerliche. Wenn es doch wenigstens um die Sache ginge – Streit in Sachfragen in allen Ehren. Aber grundsätzlich auseinander in der Sache sind die Positionen der Streithähne nicht. Es geht um Details. Für den Versuch, noch mehr Recht zu haben, lohnt der Streit aber dann doch eher nicht. Gewinn wird er nämlich keinem bringen, nicht einmal in Bayern. Aber der Verlust ist hoch. So viel Union war nie? Der Spruch wird zum Spottvers gegen seine Erfinder. Und der ganze Zank zeigt nur eines: Die Union ist in der Opposition angekommen. Denn die erkennt man immer daran, dass sie um nichts inniger streitet als um des Kaisers Bart.

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