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Politik: Wer spart, zahlt drauf

Von Werner van Bebber

Die Wälder Brandenburgs haben auf kriminelle Berliner Jugendliche offenbar heilsame Wirkung. Weitab von der nächsten größeren Stadt liegt bei Frostenwalde eine Einrichtung, der sich Berliner Richter gerne bedienen, um jungen Straftätern eine letzte Chance vor dem Knast zu geben. Und weil man von dort nicht so schnell zurück in den heimischen Kiez mit den Kumpels und den bekannten Versuchungen gelangt, sondern lange durch den Wald marschieren muss, ehe man irgendwo hinkommt, brauchen sie im Brandenburger Norden keine hohen Mauern. Die Einrichtung funktioniert auch so als „geschlossenes Heim“, das bei Jugendrichtern und Staatsanwälten hohes Ansehen genießt.

Solche Heime gibt es längst wieder in einigen Bundesländern – und sie haben zum Glück nichts mehr gemein mit den Anstalten, gegen die noch die 68er bambulemäßig rebelliert hatten. Sie sind, wenn sie funktionieren, für die meisten ihrer Insassen allenfalls teilzeitgeschlossen. Sie bieten ein „Heim“, das ihren jugendlichen Bewohnern mehr Chancen bringt als ihr Zuhause. Wer hier als junger Körperverletzer oder Räuber hingeschickt wird, muss vor allem eins verstehen: Er – oder sie – hat die Wahl zwischen Umdenken und Gefängnis. Das verstehen viele schneller, als man denken sollte. Ganze 16 von 550 Jugendlichen, so ist in Frostenwalde zu hören, haben sich in zwölf Jahren auf das Angebot zum Umdenken nicht eingelassen. Was bedeutet, dass aus deren Heimeinweisungen Haftbefehle geworden sind.

Die geschlossenen Einrichtungen sollen verhindern, das Straftäter zu Häftlingen werden – und das können sie auch. Sogar scharfe Staatsanwälte wissen, dass man die Jugendstrafanstalt selten als besserer Mensch verlässt. Das zeigen die Rückfallquoten; die sind bundesweit bei hafterfahrenen Jugendlichen höher als in jeder anderen Altersgruppe. Anders gesagt: Wer an das Gute im Menschen glaubt und das sogar für angehende Intensivtäter gelten lässt, muss auf die mehr oder minder geschlossenen Heime setzen. Wer hingegen im althergebrachten Sinn und gegen jede statistische Erkenntnis auf die harte Jugendstrafe setzt, der muss die Gefängnisse vergrößern.

Umso interessanter ist es da, dass die konservativ regierten Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern über je fünf geschlossene Heime verfügen, während man im ach so fortschrittlichen Bundesland Berlin lieber alte ideologische Vorurteile hochhält und solche Einrichtungen ablehnt. Dabei hat das Bundesjustizministerium im November in einem Gutachten zum Schutz gefährdeter Kinder festgehalten, dass die Polarisierung zwischen offenen und geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen nicht mehr aktuell ist. Doch in Berlin fordern bloß die oppositionellen bürgerlichen Parteien CDU und FDP solche Heime. In der Justiz halten diejenigen, die ständig mit kriminellen Jugendlichen aus desinteressierten Elternhäusern zu tun haben, viel von solchen Einrichtungen. Die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue aber sagte gleich, sie sehe „keine Notwendigkeit“ für geschlossene Heime.

Eine seltsame Aussage angesichts der zunehmenden Gewaltbereitschaft sogar unter Jugendlichen. Weil man in Berlin immer sofort ans Geld denken muss, könnte man die Kosten für die Heimunterbringung als Argument dagegen anführen. Das aber wäre blanker Zynismus. Wen es stört, dass der Aufenthalt eines Jungkriminellen im Heim viele tausend Euro kostet – das ist das Geld, das man an Kindern und am Kinderschutz eingespart hat.

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