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Als Pappkameraden stehen die US-Staatschefs Trump und Xi in einem Moskauer Souvenirshop.

© AFP

Wer stoppt die Aufrüstungsgefahr?: Was Trump, Xi und Putin wirklich im Schilde führen

Abrüstung ja, aber die anderen sollen anfangen. Über die Interessen des Top-Trios an der Atomwaffenfront vor den Abrüstungsgesprächen in Wien. Ein Gastbeitrag.

- Michael Paul ist Senior Fellow der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin

China hat einer Teilnahme an den Abrüstungsgesprächen der USA und Russlands eine Absage erteilt. Nach Angaben der Staatsmedien erklärte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking am 10. Juni, dass es "nicht die Absicht hat, an sogenannten dreiseitigen Rüstungskontrollgesprächen mit den USA und Russland teilzunehmen“. Die USA wollen am 22. Juni bei Gesprächen auf Ebene der Außenministerien in Wien über eine mögliche neue atomare Abrüstungsvereinbarung sprechen. China wurde dazu eingeladen, obwohl es nicht Vertragspartner des New-Start-Vertrages ist, der am 5. Februar 2021 ausläuft, und der eigentliche Grund für die Gespräche ist.

Warum insistiert Washington also auf Gesprächen mit China und drängt Moskau, entsprechend auf Peking Einfluss zu nehmen? Aus verschiedenen Gründen kann die These vertreten werden, dass zwar eine trilaterale Vereinbarung sinnvoll wäre, es US-Präsident Donald Trump aber auf ein Scheitern der Wiener Gespräche anlegt und dafür schon vorab den passenden Schuldigen suchte.

Moskau und Washington haben ein gemeinsames Interesse bei der Festlegung neuer Zielmarken der Abrüstung, weil sie auch in Zukunft mit ihren strategischen Streitkräften andere Atommächte wie China auf Abstand halten wollen. Beide wollen Peking keinen Anreiz liefern, mit ihnen in einen Rüstungswettlauf einzutreten. Schließlich rüstet China nicht nur konventionell weiter auf, sondern verbessert auch seine nuklearen Streitkräfte qualitativ und quantitativ. Es verändert damit nicht nur die regionale Machtbalance in Ostasien, sondern beeinflusst auch die strategische Stabilität.

Die in dieser Entwicklung erkennbaren Unsicherheiten über die künftige Entwicklung zeigen die Notwendigkeit einer größeren Transparenz auf chinesischer Seite, und damit die nötige Einbeziehung in strategische Rüstungskontrolle, um Instabilitäten in Krisen vermeiden zu helfen. Dies bezieht sich mittelfristig auf Konfliktlagen in der maritimen Peripherie Chinas (südchinesisches Meer, Taiwan), langfristig befürchtet Washington aber eine nachteilige Veränderung der  Kräfteverhältnisse im weltweiten Maßstab.

Es gibt also genügend Gründe, um Peking in die strategische Rüstungskontrolle einzubeziehen, jedoch ist Moskau nur sehr bedingt daran interessiert, Washington entgegenzukommen und die sino-amerikanische Machtrivalität einzuhegen – es ist schließlich selbst daran interessiert, die Kräfteverhältnisse in der Welt zum eigenen Vorteil zu verändern.

China bekennt sich zwar zum Ziel einer Abrüstung, sieht aber zunächst Russland und die USA in der Pflicht, die über 90 Prozent des globalen Nuklearwaffendispositivs verfügen. Peking wird sich erst dann zu Abrüstungs­verhandlungen bereit erklären, wenn sich die Staaten mit dem größten Nuklearwaffenarsenal – also Russland und die USA – vertraglich auf eine verifizierbare Abrüstung festgelegt haben. Derzeit wird angenommen, dass Peking über 320 nukleare Gefechtsköpfe verfügt, die größtenteils für den Einsatz auf landgestützten ballistischen Raketen vorgesehen sind.

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Es hat damit Frankreich als drittgrößte Nuklearmacht abgelöst, der Abstand zu Russland und den USA ist aber so groß, das selbst eine Verdoppelung der Zahl chinesischer einsatzfähiger Nuklearwaffen nur eine relativ geringe Annäherung an amerikanische und russische Dispositive wäre. Deshalb wurde schon vor zehn Jahren eine Reduzierung auf jeweils 1000 Sprengköpfe für eine weitere Abrüstungsvereinbarung diskutiert, bei der dann neben China aber auch Frankreich und Großbritannien einbezogen werden müssten.

Auf amerikanischer Seite besteht großes Interesse daran, eine weitere Aufrüstung Chinas im strategischen Waffenspektrum nachprüfbar zu begrenzen und damit Kosten zu sparen, jedoch die bislang bestehende Eskalationsdominanz im Konfliktfall zu bewahren. Peking dagegen will weder seine Nuklearwaffenpotenziale offenlegen, noch sich in vertraglich vereinbarte Rüstungskontrolle einbinden lassen, weil dadurch die Abschreckungswirkung seines vergleichsweise geringen Nuklearwaffendispositivs beeinträchtigt wird.

Moskau wiederum wäre insbesondere an einer Einbeziehung der britischen und französischen Nuklearwaffen interessiert. All dies lässt allenfalls eine bilaterale Vereinbarung zur Verlängerung des „New Start“-Abkommens erwarten. In absehbarer Zeit erscheint weder ein trilaterales, noch ein multilaterales Abrüstungs- oder Rüstungskontroll­abkommen realistisch.

Schließlich hat allgemein die Bereitschaft zur präventiven Risiko­einhegung durch Abrüstung und Rüstungs­kontrolle erheblich abgenommen, wie das Ende von INF-Vertrag und Open-Skies-Abkommen zeigen. Dabei sind Transparenz und Begrenzungen militärischer Poten­tiale und Aktivitäten wichtige Stabilitätsanker in einer Krise. Nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens wird Präsident Trump aber kaum das letzte und wichtigste Abkom­men seines ungeliebten Vorgängers Obama aufrechterhalten wollen. Sein Plan ist (zu) offensichtlich.

Michael Paul

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