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Politik: Wer wem in die Kasse greift

Sozialverbände halten Millionen-Zuschüsse zur Rentenversicherung für gerechtfertigt – der Bund habe sich dort jahrelang bedient

Die Zahl ist eindrucksvoll, und mit ihr lässt sich Handlungsbedarf begründen: Auf knapp 73 Milliarden Euro werden die Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung in diesem Jahr wohl anwachsen. Sie decken damit, Tendenz wachsend, bereits ein Drittel der Gesamtausgaben der Rentenversicherer – und sind ein Riesenposten in des Finanzministers eng gestricktem Etat.

Doch der oft vermittelte Eindruck, dass der Bund der klammen Rentenversicherung großzügig aus der Patsche hilft, ist falsch. Tatsächlich kann die gesetzliche Rentenversicherung die derzeit 17 Millionen Renten – bei allen Nöten des Umlageverfahrens – immer noch aus eigenen Einnahmen bestreiten. Der Bund zahlt so genannte versicherungsfremde Leistungen. Konkret handelt es sich um beitragsfreie Zeiten, die Versicherten für ihre Rente angerechnet werden, obwohl sie keine Beiträge zahlen: Kindererziehung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit, der Besuch einer Hochschule, Kriegsgefangenschaft, Flucht und NS-Verfolgung. Hinzu kommen Rentenleistungen für Vertriebene, Spätaussiedler und ehemalige DDR-Bürger.

Dass der Bund hier kostendeckend einspringt, ist, wie der Blick auf die gesetzliche Krankenversicherung beweist, alles andere als selbstverständlich. Dort ächzen die Kassen noch immer unter der Last zahlreicher systemfremder Leistungen, von denen ihnen der Finanzminister jetzt grade mal das Mutterschaftsgeld abnehmen will. Auch bei den Renten haben sich seine Vorgänger lange gesträubt. Erst im April 1998 wurde der reguläre und zu niedrig bemessene Bundeszuschuss per Mehrwertsteuererhöhung um einen „zusätzlichen“ Zuschuss ergänzt, der etwa für die einigungsbedingten Leistungen aufkommt. Erst seit Juni 1999 übernimmt der Staat auch die politisch gewollten Beiträge für Kindererziehungszeiten. Im Jahr 2002 bezahlte er allein dafür 11,6 Milliarden Euro. Möglich wurde dies durch die Einnahmen der Ökosteuer. Seither, so freut sich der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), seien versicherungsfremde Leistungen einigermaßen abgedeckt. „Wir bekommen das Geld aber nur als Durchlaufposten, um es wieder für den Bund auszugeben“, stellt VDR-Sprecher Dirk von der Heide klar. Wenn die Zuschüsse wieder gesenkt würden, schlüge sich das aber sofort auf die Versicherten nieder. Auch der Sozialverband Deutschland warnt, die Uhr zurückzudrehen. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich die Finanzminister immer wieder unrechtmäßig aus der Rentenkasse bedient. Dieses Verhalten habe die aktuelle Finanzkrise mit verursacht. Verbandspräsident Peter Vetter sagt: „Nicht der Bund hat die Rentenversicherung, sondern die Rentenversicherung hat den Bund in erheblichem Umfang subventioniert.“

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