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Westerwelle

© Bravo

Westerwelle: Bravo statt Mehrwertsteuer

Guido Westerwelle irritiert die FDP mit einem Interview – dabei läuft der NRW-Wahlkampf gar nicht gut.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Als Guido Westerwelle der Welt seinen Kinderwunsch offenbart, zeigt der elektronische Kalender der FDP in Düsseldorf „24 Tage, 15 Stunden, 22 Minuten“. So viel, oder so wenig, Zeit haben die Liberalen in Nordrhein-Westfalen noch, um ihre Wähler davon zu überzeugen, sie am 9. Mai wieder in die Koalition mit der CDU zu wählen. Kein leichtes Unterfangen: Neuesten Umfragen des Forsa-Instituts zufolge liegt die FDP bei sechs Prozent. Hohe Zeit für den Einsatz des Parteivorsitzenden, der als Bonner sogar selbst dem wahlkämpfenden Landesverband angehört.

Doch was macht Guido Westerwelle? Er gesteht dem Jugendmagazin „Bravo“, im Dienstsitz des deutschen Außenministeriums, dass er früher auf Suzi Quatro in schwarzen Lederklamotten stand und außerdem Riesenfan des Magazins war, in dem Dr. Sommer Generationen von Vierzehnjährigen erklärt hat, dass Zungenküsse nicht automatisch mit einer Schwangerschaft enden. Und er spricht über seinen Kinderwunsch: „Wenn es darum geht, was einem im Leben, das man bisher führen durfte, fehlt, dann wäre das mit Sicherheit auf der Liste oben. Aber: Es hat nicht sollen sein.“ Nie zuvor in den vergangenen 54 Jahren hat ein deutscher Politiker dem Heft ein Interview gegeben. Und schon gar nicht vier Wochen vor einer wichtigen Landtagswahl.

„Erst war es Ernüchterung, jetzt ist es Verwirrung“, beschreibt ein FDP-Spitzenmann aus Nordrhein-Westfalen die Stimmung an der Basis. Keine klaren politischen Botschaften aus Berlin, ein Spitzenkandidat ohne Strahlkraft, der Fehler macht. Und nun auch noch ein Teenie-Interview des FDP-Vizekanzlers. Letzteres wäre natürlich eine Petitesse, gäbe es nicht die Zweifel bei den FDP-Wahlkämpfern an den Ständen in NRW über die Rolle Westerwelles. Mal ist er ganz staatsmännischer Chefdiplomat, mal heftig attackierender Innenpolitiker. Man sei ja schon froh, heißt es bei den Wahlkämpfern, wenn man wegen seiner Hartz-Kritik nicht angepöbelt werde.

Nicht minder unübersichtlich sieht es beim wichtigsten Thema der FDP, der Steuerpolitik aus. Nach den heftigen Streitereien der schwarz-gelben Koalition und den Anwürfen aus der Union gegen eine „weltfremde“ Steuerpolitik und eine „unsoziale“ Gesundheitspolitik der FDP in Berlin hatte der NRW-Spitzenmann Andreas Pinkwart erst die ermäßigte Hotel-Mehrwertsteuer – und damit die Steuerpolitik der FDP insgesamt – frontal angegriffen. Wer zu dem Zeitpunkt noch an die Wirtschafts- und Finanzkompetenz der FDP geglaubt hatte, war nun ernüchtert, erinnert sich ein Abgeordneter aus NRW.

Noch immer nimmt die Verwirrung zu. Stolz präsentierte Pinkwart zu Wochenbeginn in Berlin das überarbeitete Steuerkonzept, mit dem die FDP sich beim Kölner Bundesparteitag in zehn Tagen eigentlich als Partei der Leistungsträger profilieren will. Aber: 16 statt der einst versprochenen 35 Milliarden Euro Entlastung, fünf statt drei Tarifstufen und noch dazu kein einziger Cent 2011: Auf einmal müssen sich die Liberalen vorwerfen lassen, sie seien wortbrüchige „Umfaller“.

Und das Schlimmste dabei: Die Steuersenker in NRW können noch nicht mal lautstark mehr Steuersenkungen versprechen, wenn die Wirtschaftslage besser wird. Denn es könnte jemand danach fragen, wer das alles bezahlen soll angesichts der immens hohen Staatsschulden. Dennoch: „Der Ausgang der Landtagswahl ist völlig offen“ beschwört der Düsseldorfer Fraktionschef Papke seine Parteifreunde, „die entscheidenden vier Wochen vor der Wahl haben gerade erst begonnen“. Und dann verspricht er: „Die Kernthemen der Landespolitik werden jetzt stärker in den Vordergrund rücken. Grüne und SPD wollen Gymnasien und Realschulen durch eine Einheitsschule ersetzen. Das wird die Bürger auf die Barrikaden bringen.“

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