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Politik: Westerwelle hatte viel Programm und wenig Erfolg - bei Möllemann ist es umgekehrt (Kommentar)

Wolfgang Gerhardt muss noch FDP-Vorsitzender sein. Er äußert sich so viel.

Wolfgang Gerhardt muss noch FDP-Vorsitzender sein. Er äußert sich so viel. Ein Niedrigsteuergebiet in Ostdeutschland, die Einhaltung des Raketenabwehrvertrages durch die Amerikaner, die Abschaffung des Solidaritätsbeitrages? Er könnte alles fordern, und wer weiß, ob er das nicht gerade getan hat. Denn Gerhardt äußert sich - und keiner hört zu.

Das ist ein Teil des Problems. Der andere ist ernster: Die "FDP pur", die der aufstrebende Generalsekretär Guido Westerwelle ausrief, um die Partei wieder "unverwechselbar" zu machen, hat sich auch schon wieder überlebt. In Karlsruhe war es, vor ein paar Jahren, noch in der Regierung, da wurde die FDP radikal liberal. Vor allem: Sie sang das Hohelied vom Wettbewerb. Die Liberalen definierten das Wort "neo-liberal", erfanden es geradezu neu. Im Wettbewerb mit den anderen Parteien hat ihnen das nichts gebracht.

Wahl um Wahl ging verloren, auch weil die Mitwettbewerber um den Kunden, den Wähler, das liberale Programm ausweideten. Liberal sind inzwischen alle, also marktliberal. Die Union sowieso. Friedrich Merz ist in Inhalt und Diktion Erbe von Otto Graf Lambsdorff. Aber auch die SPD. Gerhard Schröder an der Spitze: Ruft die Industrie, kommt er im Nadelstreif. Jobs, Jobs, Jobs - was früher ein Thema für Beschäftigungsprogramme war, ist heute eines, für das sich besonders Sozialdemokraten in erster Linie mit den Investitionsvorhaben der Wirtschaft beschäftigen. "Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht", hat der Wirtschaftsminister gesagt. Werner Müller? Günter Rexrodt von der FDP. Aber der Satz gilt fort.

Wo inzwischen jeder weiß, dass es gilt, sich dem Marktgeschehen anzupassen, wo die FDP mit dieser Erkenntnis nicht mehr ganz vorne, sondern mainstream ist, da ist es für alle logisch, dass die Zeit der Ideologien vorüber ist. Nach "mehr Markt" zu rufen, klingt ideologisch - und taugt doch nicht. Der Liberalismus war nie eine Ideologie, er kann keine sein und darf es auch nicht versuchen. Denn die Kunden, die Wähler wissen schon Bescheid: Weniger Markt geht nicht mehr. Das reicht als Programm.

So geht der Weg zurück, von der FDP pur zur FDP plus. Plus Koalitionspartner. Jürgen Möllemann ist nur FDP-Landesvorsitzender, aber ihm hören alle zu: Weil er in Nordrhein-Westfalen mit der Überlegung Wahlkampf macht, wen seine Partei wohl in der Regierung unterstützen soll, SPD oder CDU. Und NRW, das weckt alte Erinnerungen; von dort ging die sozialliberale Koalition im Bund aus.

Jahrelang ist die FDP kritisiert worden. Sie solle doch endlich zeigen, wofür sie steht. Doch wahrgenommen wird sie jetzt nur in reduzierter Version, in der Mehrheitsbeschaffer-Funktion. Mal hören, ob Gerhardt noch Parteichef ist. Und Westerwelle Generalsekretär.

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