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Politik: „Westerwelle muss die Notbremse ziehen“

Herr Friedman, heute trifft sich das Präsidium des Zentralrats der Juden mit der FDP-Führung. Was erwarten Sie von dem Gespräch?

Herr Friedman, heute trifft sich das Präsidium des Zentralrats der Juden mit der FDP-Führung. Was erwarten Sie von dem Gespräch?

Ich hätte mir gewünscht, das Gespräch wäre gar nicht nötig geworden. Doch die FDP hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht: Ein Antisemit wie Herr Jamal Karsli aus Nordrhein-Westfalen, der im „Stürmer“-Jargon von einer „zionistischen Lobby“ spricht und Israel Nazi-Methoden vorwirft, gehört aus der FDP-Fraktion in NRW ausgeschlossen! Es ist für mich unverständlich, dass Parteichef Guido Westerwelle, der kein Antisemit oder Rassist ist, billigend in Kauf nimmt, dass unter dem Logo der Liberalen ein solcher Mann womöglich eine politische Heimat findet.

Karsli sollte nicht FDP-Mitglied werden?

Ich habe erwartet, dass es keine Frage mehr sein kann, ob Karsli FDP-Parteimitglied wird oder nicht. Nach den Ausfällen hätten Westerwelle und NRW-Fraktionschef Jürgen Möllemann klar sagen müssen: Mit solch einem Antisemiten wollen wir nicht identifiziert werden. Doch das ist bis heute nicht geschehen. Das ist für uns unerträglich.

Jürgen Möllemann hat Israel scharf kritisiert und die Attentate von Palästinensern als Notwehrrecht verteidigt. Trotz zahlreicher Proteste stellt sich Westerwelle vor seinen Stellvertreter. Stört das den Zentralrat?

Wir sind bestürzt darüber, dass Westerwelle sich in dieser Angelegenheit mit Möllemann solidarisiert. Es geht ja gar nicht mehr um legitime Kritik an Israel. Die ist in einem demokratischen Staat erwünscht. Aber wenn es so wie bei Karsli antisemitisch wird, gibt es keinen Spielraum mehr für einen Parteivorsitzenden: Er muss die Notbremse ziehen. Das ist bisher nicht geschehen. So sehr ich den Worten Westerwelles vertraue: Es ist nicht mehr die Zeit der Worte, sondern der Taten. Wenn die FDP-Fraktion weiterhin Karsli duldet, ist das nicht hinnehmbar.

Bundeskanzler Gerhard Schröder spricht von einer beginnenden Haiderisierung der Liberalen. Stimmen Sie dem Regierungschef zu?

Ich warne davor, zu schnell Etiketten zu verwenden. Es ist ungerecht, die FDP mit der FPÖ zu vergleichen. Dort hat sich der Parteivorsitzende klar antisemitisch geäußert. Aber wer wie Westerwelle an einem judenfeindlich gesinnten Landtagsabgeordneten wie Karsli festhält, der trägt die Verantwortung dafür, wenn seine Partei als Ganzes mit solchen Aussagen identifiziert wird. Es wäre für Westerwelle ein Leichtes, sich von Karsli zu trennen.

Und wenn er es nicht tut?

Dann ist das auch eine Aussage. Diese möchte ich nicht mit denen von Haider oder Le Pen vergleichen. Aber es kann doch nicht sein, dass Fraktionsmitglieder einer demokratischen Partei unsanktioniert Aussagen machen können, die wir eindeutig im Umfeld von NPD und Republikanern ansiedeln können. Wenn die FDP nicht dagegen einschreitet, darf sie sich nicht wundern, wenn Verdächtigungen im Raum bleiben. Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Es gibt Situationen, da muss man Gesicht zeigen. Es nicht zu tun, ist entweder Gesichtlosigkeit oder strategisches Kalkül.

Wäre für Sie ein Aufruf zu einem Wahlboykott der FDP denkbar?

Eines ist klar: Wenn die FDP an Karsli festhält, dann wird es eine offensive Auseinandersetzung mit der Partei der Liberalen geben. In dem Sinne, dass eine Partei nicht wählbar ist, die Antisemiten zu sich lässt.

Macht Ihnen das Erstarken rechter Parteien in Europa Sorgen?

Europas brauner Fleckenteppich bekommt Kontur. Bei Österreich waren alle noch erschrocken und entsetzt. Dann kamen Italien, Dänemark, Frankreich und Holland. Diese Länder sind Beispiele dafür, dass wir die Phänomene Rechtspopulismus und Rassismus als Mittel der Politik ernst nehmen müssen. Das sind keine Unfälle mehr, sondern politische Tendenzen. Und auf die müssen wir antworten. Aber nicht, indem man die Slogans der rechten Parteien übernimmt, sondern sie aktiv bekämpft.

Ist Deutschland auch gefährdet?

Hier gibt es zwar keine rechten Parteien, die ähnliche Wahlerfolge erringen können. Aber ein rechtes Wählerpotenzial von 20 Prozent. Das ist derzeit in demokratischen Parteien nur „geparkt“. Das ist schon gefährlich.

Das Gespräch führte Christian Böhme.

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