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Westerwelle-Rückzug: Der Kapitän verlässt die Brücke

"Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt's einen, der die Sache regelt. Und das bin ich." So formulierte Guido Westerwelle vor Jahren die Machtverhältnisse in der FDP. Nun stellt Westerwelle sein Amt als FDP-Chef zur Verfügung. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

Er muss kurz Luft holen. Etwas schlucken sogar. Dann sagt er den Satz, gegen den er sich immer wieder gewehrt hat: „Ich werde mich nicht erneut für das Amt des Parteivorsitzenden bewerben.“ Das ist nach zehn Jahren das Ende des Guido Westerwelle als FDP-Chef. Jenes Amt, das er seit 2001 inne hat. Viele Wendungen hat er versucht in diesem Amt: Vom Kanzlerkandidaten einer Spaßpartei hin zum Steuersenker und nun zum Außenminister. Aber immer war er doch der streitbare, kerzengerade, laute und schrille FDP-Chef.

Auch an diesem Sonntagabend steht er mit durchgedrücktem Kreuz vor der Presse im Thomas-Dehler-Haus der FDP. Noch einmal durfte er derjenige sein, der auf dem Schiff, das dampft uns segelt, die Sache regelt, wie er vor Jahren die Machtverhältnisse in der FDP bildhaft ausdrückte.

Der Kahn FDP hat in den vergangenen Tagen wie wild gedampft und ist ziellos gesegelt. Als er in seiner Funktion als Außenminister in China und Japan unterwegs war, brach sich eine Debatte um sein Parteiamt los. Jetzt durfte er mit seiner Ankündigung, nicht wieder zu kandidieren noch einmal Herr des Verfahrens sein. Es falle ihm einerseits schwer, andererseits aber auch leicht, sagte Westerwelle. „Leicht deshalb, weil eine ganze Anzahl junger Persönlichkeiten bereit steht, in die Führung der FDP aufzurücken und diese Führung zu übernehmen.“ Damit hat er zwar offen gelassen, ob ihm nun Gesundheitsminister Philipp Rösler oder FDP-Generalsekretär Christian Lindner nachfolgen soll. Aber klar ist, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wohl keine Chance hat, Parteichefin zu werden.

Er selbst, das betont er, wolle Außenminister bleiben. Interessanter daran ist aber, was er nicht sagt: Dass er auch Vizekanzler der schwarz-gelben Bundesregierung bleiben will, erwähnt er nicht.  Immer wieder muss Westerwelle etwas Luft holen. „Es ist ein besonderer Tag“, sagt er selbst. Aber es die richtige Entscheidung, jetzt einen Generationswechsel einzuleiten. Dann drückt er noch einmal sein Kinn nach oben, und geht von der kleinen Bühne im Dehler-Haus, die über zehn Jahre seine große war.

Martin Zeil, Vorstandsmitglied der FDP und bayerischer Wirtschaftsminister, lobte den Zeitpunkt für Westerwelles Rückzug und würdigte die Verdienste des FDP-Chefs. Jetzt müsse schnell eine neue Führungsformation gefunden werden, "die dann zeigen muss, was sie besser kann", sagte Zeil dem Tagesspiegel. "Es kommt jetzt darauf an, ein Team zu bilden, das Erfahrung und Neubeginn dokumentiert und insofern sind Rösler, Lindner und Leutheusser-Schnarrenberger gleichermaßen geeignet", erklärte Zeil weiter, der sich damit auch für seine bayerische Landesvorsitzende als neue Parteichefin stark macht. Allerdings warnte er die FDP davor, sich inhaltlich völlig neu zu positionieren. "Wir dürfen jetzt auch nicht alles über Bord werfen, wofür wir gewählt wurden."

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler bringt derweil Hermann-Otto Solms als Parteichef ins Spiel und macht sich für eine Kabinettsumbildung stark. "Den Parteivorsitz muss jetzt jemand übernehmen, der über ausreichend Erfahrung verfügt und die Jüngeren mit nimmt. Der beste Kandidat dafür wäre Hermann-Otto Solms", sagte Schäffler dem Tagesspiegel. "Die Jungen sind zweifelsohne große Talente und die Hoffnungsträger der Partei, aber wir sind nicht in der Opposition, wo man sich in Ruhe erneuern kann, wir sind Regierungspartei und da braucht man eine Menge Erfahrung", erklärte Schäffler. Außerdem sei mit Westerwelles Rückzug als Parteichef die Neuaufstellung keinesfalls abgeschlossen. Er fordert Veränderungen in der Fraktionsführung und in der Bundesregierung. "Um einen wirklichen Neustart zu dokumentieren, brauchen wir auch eine große Kabinettsumbildung, bei der die FDP ihr Leib-und-Magen-Ressort bekommen sollte: das Finanzministerium." Zudem fehle der Koalition ein Leitthema. "Dafür ist es jetzt noch nicht zu spät", sagte Schäffler.

Westerwelle war nach den Wahlniederlagen der Liberalen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt massiv unter Druck geraten. „Ich habe heute eine Entscheidung getroffen, die ich mir gut und gründlich überlegt habe“, sagte der FDP-Chef. „Wir haben eine gute und erfolgreiche Koalition. Ich möchte, dass wir diese Arbeit auch als Liberale sichtbar und erfolgreich fortführen.“ Westerwelle machte zugleich klar, dass er weiter für die FDP da sein werde. Er wolle weiter „mit ganzer Kraft“ für die Partei arbeiten. (mit dpa/dapd)

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