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Politik: Westerwelles gezielte Provokation

Seit Wochen bemüht sich Guido Westerwelle, dem Gegner im Wahlkampf nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten und die FDP vom Ruch der Kaltschnäuzigkeit gegenüber sozialen Problemen zu befreien. Doch seine Attacke auf "staatlich bezahlte Faulheit" mobilisiert seine politischen Gegner.

Von Hans Monath

Berlin - Seit Wochen bemüht sich Guido Westerwelle, dem Gegner im Wahlkampf nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten und die FDP vom Ruch der Kaltschnäuzigkeit gegenüber sozialen Problemen zu befreien. In Talkshows versprach er, seine umstrittenen Steuersenkungspläne würden vor allem Familien entlasten. Warnungen vor Sozialabbau nach einem schwarz-gelben Wahlsieg konterte er mit dem Argument, in den vielen Ländern mit FDP-Regierungsbeteiligung sei von einem solchen Kahlschlag nichts zu spüren. Schließlich übertraf er mit einem zentralen Versprechen sogar die Forderungen der Linkspartei. Er persönlich werde in Koalitionsverhandlungen durchsetzen, dass das Schonvermögen bei Hartz-IV- Empfängern auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht werde, kündigte Westerwelle an. „Die Spaltung der Gesellschaft“ sei der FDP „nie gleichgültig gewesen“.

Am Wochenende aber lieferte der FDP-Politiker seinen linken Konkurrenten selbst den Anlass, ihre Warnungen vor der sozialen Kälte der Liberalen zu bekräftigen. Westerwelle kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs die Sozialpolitik scharf zu korrigieren – und das in einer Wortwahl, die wohl gezielt provozieren sollte. „Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit“, wetterte er. Es sei unerträglich, wenn manche in Talkshows erklärten, sie lebten vom Sozialstaat und arbeiteten schwarz und gleichzeitig das normal arbeitende Publikum beschimpften. „Die werden bei uns kein Geld bekommen“, kündigte er an.

SPD, Linke und Grüne deuten die Äußerungen als Beweis für eine Politik der Entsolidarisierung, die sie als Folge eines schwarz-gelben Wahlsiegs beschwören. „Selten wurde in solcher Klarheit zum Ausdruck gebracht, dass liberale Politik zulasten der Schwächsten geht“, sagte SPD-Vize Andrea Nahles dem Tagesspiegel. „Während in der Krise Millionen-Abfindungen gezahlt und Arbeitnehmer entlassen werden, verunglimpft der FDP- Chef pauschal die Arbeitslosen.“ Es sei kein Wunder, dass CSU-Chef Seehofer warne, die FDP vertreibe schwarz-gelbe Wähler. Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, der FDP-Chef mache „Wahlkampf auf dem Rücken von Sozialleistungsempfängern“. Westerwelle habe damit „die Karten auf den Tisch gelegt“ und zeige sich erneut „als eiskaltes Gesicht des Neoliberalismus“. Seine Äußerungen machten deutlich, dass die FDP ihre Versprechen „mit dem Kahlschlag des Sozialstaats“ finanzieren wolle.

Linksfraktionsvize Klaus Ernst sagte dem Tagesspiegel: „Westerwelle wandelt auf Rüttgers Spuren. Der verunglimpft Ausländer, der FDP-Chef die sozial Benachteiligten, um Wählerstimmen zu erhaschen. Das ist plump, das ist billig, das ist erbärmlich. Hinter Westerwelles Maske des seriösen Staatsmannes lauert der Vollstrecker des geplanten schwarz- gelben Sozialraubs. SPD und Grüne müssen sich fragen, mit wem sie da hoffen, herumampeln zu können.“

Fraglich ist, ob der provokante Akzent in Westerwelles Kampagne zum Wahlkampf der Union passt. Kanzlerin Angela Merkel verteidigte am Wochenende ihre Strategie, die konsequent jede Polarisierung vermeidet, und lehnte persönliche Attacken auf ihren Herausforderer Frank- Walter Steinmeier (SPD) ab. „Ich halte nichts davon, dass ich meinen Mitbewerber unsachlich angreife“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Auch Steinmeier dürfte sich durch Westerwelles These bestätigt fühlen. Er sagte, Schwarz-Gelb würde „soziale Grundsatzkonflikte unserer Gesellschaft neu aufreißen“. Und die FDP? Sie nannte die Kritik von SPD, Linken und Grünen am Sonntag „böswillig“. Westerwelles Sprecher versicherte, explizit über Arbeitslose habe sich sein Chef gar nicht geäußert. mit m.m.

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