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 Will die Schuld für die katastrophale Wirtschaftslage dem Ausland geben: Recep Erdogan.

© Murad Sezer/REUTERS

Westliche Botschafter in der Türkei „unerwünscht“: Die Unberechenbarkeit Erdogans wird bedrohlich

Unklar ist, auf wen der türkische Präsident noch hört. Davon hängt ab, wie groß der Flurschaden wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

Die Türkei zahlt den Preis für die Umstellung auf ein politisches System, in dem alles auf den Mann an der Spitze zugeschnitten ist. Die Ankündigung von Präsident Erdogan, die Botschafter von zehn wichtigen westlichen Partnerstaaten aus dem Land zu werfen, dient nicht türkischen Interessen. Vielmehr schadet sie der Wirtschaft und dem Ansehen der Türkei – aber sie soll Erdogan aus der innenpolitischen Klemme helfen.

Seine Regierung hat die wegen der Pandemie ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft mit fragwürdigen Entscheidungen in die Krise getrieben und verliert anderthalb Jahre vor den nächsten Wahlen an Unterstützung bei den Wählern. Jetzt soll das Ausland dafür verantwortlich gemacht werden.

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Erdogan stellt die Botschafter-Krise als unausweichlich hin: Die zehn Botschafter hätten sich mit ihrem Appell in innere türkische Angelegenheiten eingemischt und damit eine entschiedene Antwort provoziert. Doch Erdogans Reaktion auf die Forderung der Diplomaten nach Freilassung des Bürgerrechtlers Osman Kavala war eine politische Entscheidung – er hätte den Einwurf der Botschafter auch ignorieren können. Schließlich war es nicht das erste Mal in den letzten vier Jahren, dass sich europäische oder amerikanische Länder für Kavala einsetzten.

Hat innenpolitische Motive für seinen jüngsten Schritt: Recep Erdogan.
Hat innenpolitische Motive für seinen jüngsten Schritt: Recep Erdogan.

© via REUTERS

Politiker und Diplomaten in den westlichen Hauptstädten kennen Erdogans Schwierigkeiten und Verfolgungsängste sowie seinen Hang zu rhetorischen Rundumschlägen, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt. Der Westen muss jetzt einen Weg finden, einerseits Erdogans Attacken zurückzuweisen und auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln im Umgang mit Regierungskritikern zu bestehen und andererseits die Gesprächskanäle mit dem wichtigen Partner Türkei offen zu halten.

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Das wäre schon unter normalen Umständen schwierig. Mit der Unberechenbarkeit der Regierung in Ankara kommt ein weiteres Problem hinzu. Wer in der türkischen Hauptstadt kann mit dem Westen nach einem Ausweg suchen? Wer hat das Ohr des Präsidenten, wer sagt ihm, dass er dabei ist, mitten in einer Wirtschaftskrise die wichtigsten Handelspartner des Landes zu vergrätzen?

Von den Antworten auf diese Fragen hängt ab, wie groß der politische Flurschaden der Botschafter-Krise am Ende sein wird.

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