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Politik: Wetten, dass …

Von Axel Vornbäumen

Es war der 6. Juni 1971 und es war seine Geburtstagsfeier, als der Südfrüchte-Großhändler Horst-Gregorio Canellas das Tonband anstellte. Tags zuvor waren die Offenbacher Kickers abgestiegen und Kickers-Präsident Canellas spielte seinen illustren Gästen mitgeschnittene Telefongespräche vor, die belegten, dass der Abstieg nicht nötig gewesen wäre, hätten die Offenbacher nur tief genug in die Tasche gegriffen, um sich die entscheidenden Punkte bei ihren Gegnern zu kaufen. So kam an die Öffentlichkeit, wofür später der Begriff „Bundesligaskandal“ geprägt wurde – der noch junge deutsche Profifußball hatte seine Unschuld verloren. Der anwesende Bundestrainer Helmut Schön verließ empört die Feier. Nie zuvor war eine derartige Manipulation für möglich gehalten worden.

Und, schon erstaunlich in dreieinhalb Jahrzehnten, niemals danach je wieder.

Warum nicht? Wohl auch, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn obwohl sich der Fußball über die Jahre zu einer globalen Unterhaltungsindustrie weiterentwickelte, folgt seine Perzeption in der Regel einem Bild, als steckte er immer noch mittenmang in der seeligen „Elf-Freunde-müsst-ihr-sein“-Zeit.

„Aufm Platz“ , dort, wo wichtig ist, werden noch immer und gerne deutsche Tugenden reklamiert, und zum verklärten Komment gehört es, dass sich die Eskapaden der Profis allenfalls jenseits der Außenlinien abspielen. Fast scheint es, als wirkte der Bundesligaskandal der frühen 70er doppelt fromm nach: Aus dem Schaden von damals, so die Hoffnung, sind doch wohl alle klug geworden.

Und wenn nicht? Was, wenn es im Fußball wenigstens so korrupt zuginge, wie in der Politik, wie in der Wirtschaft? Geradewegs so wie im täglichen Leben? Nicht immer, aber manchmal. Dann wären zunächst einmal die Gesetze der Wahrscheinlichkeit in Kraft. Mehr nicht.

Vor der Wahrheit kommt die Wahrnehmung. Die jüngsten Rechercheergebnisse des ARD-Magazins „Plusminus“, wonach mehrere Bundesligaspieler und sogar ein deutscher Nationalspieler mit der Wettmafia gemeinsame Sache gemacht haben sollen, sind schon jetzt ein Desaster für die Fußballbranche und das in WM-Vorfreude steckende Land – fatal genug: ganz egal, ob sie nun stimmen oder nicht. „Wir werden morgen verlieren“, soll ein Bundesligaspieler gesagt haben – um dann 10 000 Euro auf die Niederlage seiner Mannschaft zu setzen. Ein Beweis für eine Manipulation ist das noch nicht, und doch keimt auf einmal ein schrecklicher Anfangsverdacht, dass da Sportler das Wesen ihres Sports ad absurdum führen könnten, weil ihnen die Niederlage lukrativer erscheint als der Sieg.

Man hat das nicht für möglich gehalten – nicht in der Bundesliga, wo ohnehin schon horrende Gehälter gezahlt werden und Siegprämien, die über dem Monatseinkommen eines Durchschnittsverdieners liegen. Wo Karrieren knicken würden, die es binnen weniger Jahre ermöglichen, ein ganzes Leben finanziell sorglos zu bestreiten. Als ob nur die stabilsten Charaktere in deutschen Stadien auflaufen dürften, allesamt gefeit vor den Verlockungen des schnellen Geldes. Nur – so ist es nicht. Viele Fußballer, hat der frühere Hertha- und heutige Nürnberger Trainer Hans Meyer beobachtet, kämen mit der gesellschaftlichen Bedeutung, die ihnen verliehen würde, nicht zurecht.

Wenn das Image des deutschen Fußballs nicht ausgerechnet vor der WM vollends verzockt werden soll, wären nun intensive Ermittlungen angebracht. Das wäre mal eine sinnvolle Forderung, die Franz Beckenbauer erheben könnte.

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