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Politik: wider Willen

EINGREIFEN IN AFRIKA? Kolonialherren

Von Robert von Rimscha

Wer würde nicht gern helfen? Wer nicht gern Kriege beenden? Dass die Entwaffnung der Kämpfer in Liberia, dass der Aufbau im Irak und in Afghanistan gut ist – klare Sache. Ist es aber westliche Arroganz, wenn wir annehmen, Liberia sei dabei auf uns angewiesen? Oder ist es Realismus, mit Blick auf Afrika festzustellen: Die können das nicht? Das klingt nach Neokolonialismus. Jedenfalls scheint der Westen ein schlechtes Gewissen zu haben. Warum sonst verlangt Deutschlands EntwicklungshilfeMinisterin, Amerika solle den Krieg in Liberia beenden, weil es dort ja keine unmittelbaren Interessen habe. Mit Interessen – wäre die Hilfe dann Neokolonialismus? Und ist die Hilfe pur und rein, wenn sie ohne strategische Hintergedanken geleistet wird?

Vor einem halben Jahrhundert war die weltweite Grundmelodie die des antikolonialen Befreiungskampfes, unterlegt von der Suche der Supermächte nach Satelliten und Schauplätzen für Stellvertreterkriege. Heute betreiben die Ex-Kolonisten „Nationbuilding“ unter dem Etikett des Altruismus. Immerhin hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass der Abriss alter Strukturen nicht reicht. Langwieriger und teurer als Frieden zu schaffen sind die Aufbau-Projekte. Die Lehre, dass „Nationbuilding“ schwieriger ist als Konfliktschlichtung, gilt überall. Die aktuellen Eingriffe in Kongo und der Elfenbeinküste haben bislang nicht mehr bewirkt als die Unterdrückung offener Gewalt. Der Balkan zeigt, wie instabil der Neuaufbau auch nach Jahren noch sein kann. Afghanistan und der Irak sind Sonderfälle, weil der Kampf gegen Terror und Diktatur uns unmittelbar zur Aufbauhilfe verpflichtet. Beide Kriege müssen durch Aufbau nachträglich gerechtfertigt werden. Die UN brauchen den Erfolg in Afghanistan, Amerika jenen im Irak. Wenn sich daraus ein Wettlauf der Aufbaubereitschaft entwickelt, mögen die Motive zwar unlauter sein, das Ergebnis indes nützt beiden Völkern.

Für Afrika ist die Lektion bitter. Befreiungshelden sind oft zu Schurken geworden – so schützen Anti-Kolonialisten nicht vor Neokolonialismus. Westafrika, wo sich heute Krisenherd an Krisenherd reiht, galt vor zehn Jahren noch als Hoffnungs-Region. So rasch wendet sich das Blatt. Wo die Sisyphusarbeit „Nationbuilding“ scheitert, bleiben „Failed States“ zurück. Die werden ignoriert, so lange es geht. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg in Angola oder Sudan blieb nahezu unbeachtet. Nur wenn das Ignorieren gar nicht mehr geht, wird eingegriffen.

Und zwar stets mit einer Mischung aus hehrer Moral und schnöder Interessenpolitik. Denn Kriterien und Prioritäten sind nötig, da der Westen weder überall helfen kann noch will. Interessenfreie Eingriffe sind nicht per se besser. Sie sind politisch sogar riskanter. Washington hat dies in Somalia erlebt. Hunger lindern – klar! Wenn dann aber die Leichen getöteter US-Soldaten durch die Straßen geschleift werden, ist die Frage nach dem „Warum“ des eigenen Engagements kaum mehr zu beantworten. Da hilft es, eigene Interessen zu haben. Sie sind ein Vehikel, das Langstrecken fahrbar macht.

Gegen den Neokolonialismus-Verdacht hilft nur das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Die ersten Schritte der westafrikanischen Schutztruppe für Liberia stimmen da hoffnungsvoll. Wenn Regionen ihre Konflikte selbst schlichten können, dient das allen. Zunächst den Betroffenen, dann der Region – aber auch dem Westen. Das ist der Unterschied zu Kolonialismus oder Imperialismus. Früher wollte jede westliche Macht der anderen Einflussräume streitig machen. Heute ist es der Westen insgesamt, der Einfluss weiter schätzt. Aber ihn nur höchst ungern mit Mitteln bewirkt, die kolonial anmuten. Außer es muss sein.

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