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Wenn es um Amerika geht, kann man in Deutschland links und rechts durchaus verwechseln. Dies hier sind keine Anti-TTIP-Demonstranten, sondern extreme Rechte.

© Davids, Florian Boillot

Wie bedroht sind die westlichen Werte?: Europa muss eigenständig werden

Amerika hat sich von Europa abgewendet. Europa wird folglich lernen müssen, auf sich allein gestellt zu sein. Das gilt gegenüber Russland wie in der Flüchtlingskrise. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wer wissen will, wie es um das transatlantische Verhältnis bestellt ist, sollte sich „Der Marsianer“ anschauen. Matt Damon spielt darin einen Astronauten, den seine Crew auf der Flucht vor einem Sturm auf dem Mars zurücklassen musste. Die Rettungsaktion zieht sich in die Länge, ist schwierig und verläuft dramatisch. Am Ende helfen der Nasa ausgerechnet die technologisch hochentwickelten Chinesen. Ganz China freut sich mit, als der „Marsianer“ wohlbehalten zur Erde zurückkehrt. Hollywood mag China. Unvorstellbar, dass irgendein europäisches Land der Nasa in Not hätte die Hand reichen dürfen.

Wer noch genauer wissen will, wie es um das transatlantische Verhältnis bestellt ist, saß am Mittwoch in den Konferenzräumen des Tagesspiegels, wo das Aspen-Institut zu einer Tagung über das Thema „western values under siege“ – die westlichen Werte im Belagerungszustand – eingeladen hatte. Wer nun geglaubt hatte, hier würden sich die üblichen Verdächtigen schnell die Hand zur Versöhnung reichen, wurde eines Besseren belehrt. Wie sieht das ungeschönte Bild aus?

Da ist auf der einen Seite Amerika, ein durch Polarisierung paralysiertes Land, dessen Führungsschicht sich in den vergangenen Jahren von Europa abgewendet hat. Im sich selbst genügenden Bewusstsein, mit der digitalen Revolution – Silicon Valley – ein Motor globaler Veränderungen geworden zu sein, hat die Regierung von Barack Obama jedes strategische Gestaltungsinteresse verloren. Das lehrt auch der tägliche Blick in den Nahen Osten. Von hinten führen, war die Devise. Hinzu kam der naive Optimismus, Europa sei inzwischen stark genug, um seine Probleme alleine lösen zu können.

Symptomatisch für die Entfremdung von Amerika ist die NSA-Affäre

Da ist auf der anderen Seite Europa, ein zunehmend renationalisierter, von sich selbst desillusionierter Kontinent. Zwar schafft es die Gipfel-Maschinerie bisweilen noch, Ergebnisse zu produzieren (wie in der Griechenlandkrise), aber sowohl die ausgeprägte Harmoniebedürftigkeit als auch disparate Interessen verhindern, dass etwa einem Wladimir Putin auf der Krim oder in der Ostukraine Paroli geboten werden kann. Die Flüchtlingskrise schließlich, mit Deutschland in ihrem Epizentrum, verstärkt die zentrifugalen Kräfte. Symptomatisch für die Entfremdung von Amerika ist die NSA-Affäre, in der sich zum Gefühl, gedemütigt zu werden, die Angst gesellt, nicht mehr partnerschaftlich relevant zu sein.

Keiner dieser Trends wird sich rasch umkehren lassen, weder durch einen neuen amerikanischen Präsidenten (oder Präsidentin) noch durch neue europäische Vertiefungs-Initiativen. Europa wird lernen müssen, auf sich allein gestellt zu sein, was eine Stärkung der Nato als letzter funktionierender transatlantischer Instanz unabdingbar macht. Und in Amerika wird vielleicht die Einsicht Raum greifen, dass in einer Welt, die von russischer Großmachtserratik, chinesischem Raubtierkapitalismus und der Ausbreitung eines radikalen, militanten Islam geprägt ist, die Wiederentdeckung Europas als Teil der westlichen Wertegemeinschaft keine ganz so schlechte Idee ist. Chinas Hilfe bei Reisen zum Mars hin oder her.

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