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Vorsitzender einer Partei, die in der Flüchtlingskrise kaum etwas zu gewinnen hat: Sigmar Gabriel.

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Wie der SPD-Chef überleben könnte: Freiheit für Sigmar Gabriel!

Die Aufregung um das Asylpaket II zeigt, wie sehr Sozialdemokraten ihrem Parteichef misstrauen. Nach den Landtagswahlen könnte es zur Entscheidung kommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Der Streit um den Familiennachzug stellt der großen Koalition ein mieses Zeugnis aus, die sich mit dem Asylpaket II eigentlich handlungsfähig zeigen wollte. Die Aufregung um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollte vor allem einem Regierungspolitiker eine Warnung sein: Sigmar Gabriel. Manche in der SPD-Bundestagsfraktion trauen dem eigenen Parteichef schließlich alles Mögliche zu – auch die Chuzpe, gegenüber der Union nun Zugeständnisse gemacht zu haben, die gegen hehre sozialdemokratische Positionen verstoßen.

Gabriel weiß genau, dass dieses Misstrauen gegen ihn nicht nur unter SPD-Abgeordneten, sondern auch in seiner Partei verbreitet ist. Dabei geht es längst nicht mehr um das Leiden der Genossen an der Sprunghaftigkeit ihres Vorsitzenden. In der Flüchtlingskrise belauern SPD-Funktionäre den Parteichef jetzt noch argwöhnischer, weil sie spüren, dass Gabriel hin- und hergerissen ist zwischen dem großen Solidaritätsversprechen der SPD gegenüber den Flüchtlingen und dem Wunsch, sich abzusetzen vom Kurs der immer einsamer werdenden Kanzlerin.

Früher als andere hatte der SPD- Chef gespürt, dass die Willkommenskultur ihre Grenzen finden würde – nur laut sagen durfte er es nicht. Denn seine Partei ist gespalten in der Flüchtlingskrise. Für ihr Traditionsmilieu der sozial Schwachen sind die Neuankömmlinge eine viel größere Bedrohung als für linksliberale Bürger, die "Refugees welcome"-Schilder hoch hielten: Gering Qualifizierte sehen neue Konkurrenten um Jobs, Niedrigverdiener haben nun noch weniger Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Niemand weiß das besser als SPD-Kommunalpolitiker.

Die Politik der Schadensbegrenzung trägt auf Dauer nicht

Auf der anderen Seite stehen SPD-Funktionäre und -Politiker, denen die eigene moralische Reinheit und die Abgrenzung gegen die Union stets wichtiger sind als der Wunsch, durch eine Absenkung von Standards die Zuzugszahlen zu begrenzen und die immer skeptischeren Bürger von der Handlungsfähigkeit des Staates zu überzeugen. Tony Blairs Merksatz „Law and order is a Labour issue“ gilt auch in der Flüchtlingskrise. Gabriels Formel „Zuversicht und Realismus“ hat dagegen wenig Überzeugungskraft, weil sie eine Haltung, aber keinen Ausweg zeigt.

Gabriel betreibt eine Politik der Schadensbegrenzung, die auf Dauer kaum tragen kann. Die Lage für die SPD ist prekär, sie kann allerdings noch viel schlimmer werden: Die Kanzlerin verliert rapide an Zustimmung, rechts von der Union etabliert sich mit der AfD eine neue politische Kraft – und trotzdem muss die SPD damit rechnen, dass sie bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die größten Einbußen hinnehmen muss und alle Regierungsbeteiligungen verliert.

Am Wahltag, dem 13. März, dürfte es für den SPD-Chef ums politische Überleben gehen. Dass seine Politik der Schadensbegrenzung dann noch weiterhilft, ist unwahrscheinlich. Womöglich bleibt ihm nur der Sprung ins Freie. Er müsste die SPD dann vor die Wahl stellen, ob sie sich zu seinem Kurs der Mitte und einer restriktiveren Flüchtlingspolitik bekennt – und klar machen, dass er ohne diese Rückendeckung nicht mehr zur Verfügung steht. Wenn die SPD einen besseren Kandidaten findet, der ihr den Wiederaufstieg verspricht, kann sie Gabriel ja ziehen lassen.

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