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Politik: „Wie ein Verkehrsunfall geahndet“

25 Jahre nach der Gas-Tragödie von Bhopal gibt es einen ersten Schuldspruch

Ein Angeklagter ist verstorben, die anderen sind meist 70 Jahre und älter. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist die Giftgas-Tragödie von Bhopal her, die als schwerste Industriekatastrophe in die Geschichte einging. Doch erst nun, nach 23 Prozessjahren, fällte ein indisches Gericht einen ersten Schuldspruch: Die Richter befanden am Montag acht Ex-Manager der indischen Tochterfirma des US-Konzerns Union Carbide – darunter auch den verstorbenen Angeklagten – der fahrlässigen Tötung für schuldig. Das Strafmaß soll in den nächsten Tagen verkündet werden. Den Verurteilten drohen maximal zwei Jahre Haft. Sie werden aber wahrscheinlich in Berufung gehen.

Bevor ein rechtskräftiges Urteil steht, dürften noch weitere Jahre vergehen. Unter den Verurteilten ist auch der damalige Indien-Chef von Union Carbide, Keshub Mahindra. Der inzwischen 85-Jährige ist heute einer der führenden Unternehmer Indiens und leitet den Fahrzeughersteller Mahindra & Mahindra. Der Amerikaner Warren Anderson, der damalige Boss des US-Konzerns, wurde in dem Urteil nicht erwähnt, obgleich auch er angeklagt war. Indien hat zwar formal seine Auslieferung beantragt, diese aber nie mit Nachdruck betrieben. Der 89-Jährige lebt unbehelligt als Rentner in den USA.

1996 hatte das höchste Gericht die Anklage von Totschlag auf fahrlässige Tötung vermindert, auf die in Indien oft bei Verkehrsunfällen mit Fahrerflucht befunden wird. „Die Katastrophe wurde wie ein Verkehrsunfall geahndet“, zürnt der Aktivist Satinath Sarangi: „Das ist ein juristisches Desaster und Betrug.“

Noch heute findet man in Bhopals Hospitälern Opfer, immer noch sollen viele Kinder behindert geboren werden. Am 3. Dezember 1984 entwichen aus der Pestizidfabrik, die heute vor sich hin rostet, 40 Tonnen Giftgas. Die Menschen der umliegenden Slums wurden im Schlaf von der Giftwolke überrascht. Nach Schätzungen starben allein in den ersten 72 Stunden 4000 bis 8000 Menschen. 15 000 bis 25 000 erlagen Spätfolgen, mindestens 100 000 wurden chronisch krank. Union Carbide zahlte 1989 zwar 470 Millionen Dollar an die Opfer – wegen ihrer Masse war das pro Person lächerlich wenig.

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