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In Berlin tat sich zuletzt beim Neubau nicht sehr viel - ändert sich das nach dem Rücktritt der Bausenatorin?

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Wird jetzt mehr gebaut in Berlin?: Wie es nach dem Rücktritt von Katrin Lompscher weitergeht

Nach dem Abgang der Bausenatorin muss die rot-rot-grüne Koalition ihre Nachfolge regeln – und vielleicht noch mehr. Welche Folgen hat Lompschers Rückzug?

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Am Sonntagabend bat Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) in einer Pressemitteilung um Entschuldigung. „Für mich steht fest, dass mein schwerer persönlicher Fehler mein weiteres Handeln als Senatorin dauerhaft überschatten würde“, heißt es darin.

Lompscher hatte Bezüge falsch abgerechnet und Einnahmen zunächst nicht versteuert – und ist deswegen überraschend zurückgetreten. Die rot-rot-grüne Koalition muss sich nun eine neue Bausenatorin oder -senator suchen – und vielleicht noch mehr.

Was bedeutet der Rücktritt für die rot-rot-grüne Koalition?

In der Berliner SPD gibt es nach dem Rücktritt Lompschers keine Bestrebungen, das rot-rot-grüne Regierungsbündnis kurzfristig zu beenden. Ein Koalitionsbruch wäre eine „abenteuerliche Idee“, hieß es. Führungskräfte der Partei versichern auch, dass die Gelegenheit nicht genutzt werden soll, um die sozialdemokratische Bildungssenatorin Sandra Scheeres ebenfalls auszutauschen.

Vor einem Jahr wäre ein solcher Wechsel sinnvoll gewesen, heißt es in SPD-Kreisen. Aber eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl mache dies „rational betrachtet keinen Sinn“.

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Es wird auch betont, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in den für Schulen und Kitas besonders schwierigen Coronazeiten sich gegenüber Scheeres „solidarisch und unterstützend“ verhalten habe.

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Die Genossen warten nun ab, wen die Linke als Ersatz für Lompscher vorschlagen wird, schließlich sei das Bau- und Stadtentwicklungsressort für die gesamte Koalition strategisch wichtig. Am Dienstag werden die Geschäftsführenden Vorstände des SPD-Landesverbands und der Abgeordnetenhausfraktion in ihrem turnusmäßigen Jour fixe die Lage weiter diskutieren.

Innerparteiliche Gedankenspiele über einen Austausch von Ressorts gab es angeblich, doch sei eine größere Rochade „viel zu komplex“ und das würden die Linken wohl auch nicht mitmachen, hieß es.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).
Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

© Britta Pedersen/dpa

Müller bedauerte Lompschers Rücktritt. Insgesamt sei es eine „verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gewesen. Müller wertet wie auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) den Rücktritt von Lompscher als konsequent. „Sie hat persönlich einen Fehler gemacht und die Konsequenzen gezogen. Das ist souverän und zu respektieren“, sagte Pop. Eine weitere Senatsumbildung werde es nicht geben.

Wie kam es zum Rücktritt?

Anfang vergangener Woche wurde bekannt, dass es fehlerhafte Abrechnungen von Bezügen gibt, die Lompscher in ihrer Funktion als Mitglied in Aufsichtsräten hatte. Bezüge aus anderen Tätigkeiten wie Aufsichtratsmandate dürfen bis zu einer Höhe von 6135,50 Euro im Jahr behalten werden.

Der Rest muss an die Landeskasse abgeführt werden. Lompscher hatte drei Mandate bei der Investitionsbank Berlin (IBB), der Tegel Projekt GmbH und bei der Tempelhof Projekt GmbH, für die sie 7327 Euro (2017) und 8100 Euro (2018) erhielt.

Diesen Betrag in Höhe von 15427 Euro hätte Lompscher allerdings bei einem Steuersatz von 42 Prozent beim Finanzamt angeben und versteuern müssen. Das wären über 6000 Euro gewesen, die in die Finanzkasse geflossen wären. Das hatte Lompscher versäumt.

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Sie sagte selbst, das sei ein „Riesenfehler“ gewesen und entschuldigte sich dafür. Als politische Entscheidungsträgerin habe sie eine besondere Verantwortung zu tragen. Dieser Verantwortung sei sie nicht gerecht geworden. Die Bausenatorin entschied sich für einen Rücktritt.

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Nach einem zweistündigen Telefonat mit der Spitzenpolitikerin der Linken am Sonntagmorgen stand diese Entscheidung fest. Lompscher gilt als persönlich unprätentiös. Parteifreunde und Spitzen in der Koalition unterstellen ihr nicht, dass sie sich an den zusätzlichen Einnahmen hätte bereichern wollen.

Aber sie war schon einmal von 2006 bis 2011 Gesundheits- und Verbraucherschutzsenatorin. Eigentlich hätte sie das Prozedere eigentlich wissen müssen. Und: Die Linke hätte so einen eklatanten Fehler auch keinem anderen Politiker durchgehen lassen. Der Rücktritt war alternativlos. denn Lompschers Fehler wäre der Partei während des Wahlkampfs um die Ohren geflogen.

Welche Folgen hat Lompschers Rücktritt für den Mietendeckel?

Keinen, jedenfalls für den Bestand des Gesetzes. Denn dieses ist bereits beschlossen, nun wird nur noch am 23. Oktober die dritte Stufe gleichsam ausgerollt: Ab dann können auch die überhöhten Mieten im Wohnungsbestand, gemessen an den Obergrenzen des Mietendeckels (plus 20 Prozent), abgesenkt werden.

Allenfalls könnte der Wechsel an der Spitze der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen den Zug aus den organisatorischen Abläufen nehmen, die das Gesetz begleiten: Etwa die Bereitstellung des Personals für Beratungen und Informationen rund um die mit dem Gesetz verbundenen Neuerungen.

Aber auch das gilt als unwahrscheinlich: Senatorinnen greifen selten in die verwaltungstechnischen Abläufe ein, das ist allenfalls Sache der Staatssekretäre. Und Sebastian Scheel (Linke) gilt hierin als kompetent und durchsetzungsfähig. Hinzu kommt: Die einzige Aufgabe der Senatsverwaltung für Wohnen besteht in der Behandlung von Problemen bei der Absenkung von Mieten, was ab November zu größerem Beratungsbedarf führen könnte.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist am Sonntag überraschend zurückgetreten.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) ist am Sonntag überraschend zurückgetreten.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Was bedeutet Lompschers Rücktritt für die Linken?

Katrin Lompscher war eine erfahrene Senatorin, noch dazu als Diplomingenieurin für Städtebau eine fachlich kompetente Politikerin im Schlüsselressort der Linken. Mieten- und Wohnungspolitik werden eines der führenden Themen im Wahlkampf 2021 sein. Sie managte den Mietendeckel, verhandelte hart auch innerhalb der Koalition um Nachbesserungen.

Die Dauerkritik, dass sie sich zu wenig um den Neubau kümmere, konnte sie stoisch aushalten und verwies auf Schwierigkeiten, neben dem Neubau auch eine ordentliche soziale und verkehrliche Infrastruktur aufzubauen. Für die Linke wird es sehr schwierig, eine Nachfolge zu bestimmen. Lompscher hatte auch großes Ansehen in der gesamten Partei.

Wer folgt auf Lompscher?

Auf der Suche nach der Nachfolge will sich die Partei diese Woche „für Sondierung und Sichtung“, wie es hieß, Zeit nehmen. Anwärter ist der für den Geschäftsbereich Wohnen zuständige Staatssekretär Sebastian Scheel, der fachlich versiert ist und den Verwaltungsapparat gut kennt.

Nur: Scheel ist keine Frau. Auch wenn die Linke die Quotierung nicht ganz so ideologisch betrachtet wie die Grünen, würde man eine Frau als Nachfolgerin präferieren. Katja Jösting, eine enge Mitarbeiterin von Lompscher, wird als mögliche Kandidatin genannt.

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Die frühere Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm wäre theoretisch auch eine Nachfolgekandidatin. Sie hat maßgeblich den Mietendeckel in der Koalition verhandelt und war von 2009 bis 2011 Sozialsenatorin. Jedoch sind Bluhm und Udo Wolf auch aus privaten Gründen von der Fraktionsspitze zurückgetreten. Und Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf hat seinen Lebensmittelpunkt nach Hamburg verlegt. Eher unwahrscheinlich, dass er sich als Interims-Nachfolger im Senat zur Verfügung stellt.

Ändert sich jetzt die Baupolitik und wird nun mehr gebaut?

Das hängt von Lompschers Nachfolger oder Nachfolgerin im Amt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ab. Nach Lage der Dinge zerbricht die Koalition nicht und es kommt auch zu keiner größeren Umbildung. Bleibt es dabei, wird die Linke den Nachfolger bestimmen. Das spricht für Kontinuität. Nur: Sogar in der Basis der Linken rumort es, weil sich die Überzeugung durchgesetzt hat, dass ein Einfrieren der Mieten allein keine neuen Wohnungen schafft.

Die Linke diskutiert deshalb sogar intern den Vorschlag aus eigenen Kreisen, eine neue Wohnungsbau-Gesellschaft aufzubauen, die mit Milliardeneinsatz Tausende von Wohnungen schaffen könnte. Zudem könnte der Nachfolger oder die Nachfolgerin Lompschers erkennen, welche Nachteile eine harte Abgrenzung gegenüber Bauwilligen wie zum Beispiel gegenüber Genossenschaften für die Akzeptanz von Baupolitik mit sich bringt.

Die beiden letzten Punkte würden für einen verstärkten Wohnungsbau in der Zukunft sprechen.

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