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Kämpfer der Hisbollah demonstrieren bei einer Parade in Beirut ihre Einsatzbereitschaft und Solidarität mit den Palästinensern.

© AFP

Wie gefährlich ist die Schiitenmiliz?: "Die Hisbollah ist eine Terrororganisation"

Sollte die Europäische Union die Schiitenmiliz auf ihre Terrorliste setzen? Auf jeden Fall, meint der US-Experte Matthew Levitt im Interview.

Herr Levitt, die EU tut sich schwer damit, die Hisbollah auf ihre Terrorliste zu setzen. Haben Sie Verständnis dafür?

Ja. Es ist durchaus angebracht, dass man sich darüber Gedanken macht, was es heißt, die Hisbollah auf diese Liste zu setzen. Aber letztendlich steht im Vordergrund, ob man für einen derartigen Schritt ausreichende Belege hat. Und die gibt es zweifellos. Die Schiitenmiliz hat Europa herausgefordert. Nun muss die EU antworten.

Was meinen Sie mit "herausgefordert"?
Nach allem, was wir wissen, ist die Hisbollah für den Anschlag auf israelische Touristen in Bulgarien verantwortlich. Vergangenes Jahr kamen dabei sechs Menschen ums Leben – auf dem Territorium der Europäischen Union! Das ist schon erschreckend genug. Hinzu kommt aber noch, und das sollte uns wirklich alarmieren: Auf Zypern hat ein unabhängiges Gericht vergangene Woche ein schwedisch-libanesisches Hisbollah-Mitglied zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Angeklagte potenzielle israelische Ziele in Zypern ausgekundschaftet hat. Der Mann soll zudem in den Niederlanden und Frankreich für die "Partei Gottes" tätig gewesen sein. Das heißt: Hisbollah ist in Europa aktiv.

Wenn von der Hisbollah die Rede ist – mit wem haben wir es dann zu tun?

Die libanesische Schiitenorganisation ist vieles in einem: eine politische Partei, eine Art Sozialunternehmen und eine militante Gruppierung. Doch täusche sich keiner. Die Hisbollah nutzt ihre politischen und sozialen Aktivitäten, um in erster Linie militärische und terroristische Ziele zu verfolgen. Im Auftrag und mit Unterstützung Teherans versuchen die radikalen, antisemitischen Islamisten, weltweit Anschläge auf Israelis zu verüben.

Matthew Levitt gehört zu den führenden Experten für islamistischen Terrorismus.
Matthew Levitt gehört zu den führenden Experten für islamistischen Terrorismus.

© Promo

Sie haben also keinen Zweifel daran, dass die Hisbollah eine Terrororganisation ist?

Nein. Alle Erkenntnisse der Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden sprechen dafür. Dass Hisbollah auch eine Partei ist, bedeutet ja nicht: Wir haben einen Freibrief, ungehindert wie ungestraft Terror auszuüben, Gebäude in die Luft zu jagen und Menschen zu töten.

Was macht die Schiitenmiliz so gefährlich?

Ganz einfach: Die Hisbollah trübt gezielt das Wasser, in dem sie sich bewegt. Und zwar indem die Grenzen zwischen legitimen und illegitimen Aktivitäten verwischt werden. Und das gelingt ihr nur, weil der Westen dies in Kauf nimmt und die Hisbollah vom Iran massiv unterstützt wird. Es sind gerade die Verantwortlichen in Teheran, die der Hisbollah Waffen liefern, Geld geben und Informationen überlassen.

Welche Bedeutung hat Deutschland als "Ruhe- und Rückzugsraum" für die schiitischen Extremisten?

Eine große. Die Hisbollah ist in der Bundesrepublik sehr präsent. Die Sicherheitsbehörden gehen von mehr als 900 Sympathisanten aus, unter ihnen sollen hochgefährliche Kämpfer sein. Zudem gibt es viele Vereine, die nur dem Zweck dienen, Spenden zu sammeln – für den Kampf gegen Israel. Dagegen vorzugehen ist sehr schwierig, solange die Hisbollah nicht auf der EU-Terrorliste steht.

Sollten sich die Europäer doch noch zu diesem Schritt durchringen, ist dann zu befürchten, dass die Hisbollah auch Deutschland ins Visier nimmt?

Das halte ich für unwahrscheinlich. Andere Länder wie die USA, Kanada oder Australien haben die Schiitenmiliz schon lange auf ihren jeweiligen Terrorlisten. Keines dieser Länder wurde bislang angegriffen. Auch das sollte die Europäer ermuntern, endlich Flagge zu zeigen und die Hisbollah an den Pranger zu stellen.

Das Gespräch führte Christian Böhme.

Matthew Levitt gehört zu den führenden Experten für islamistischen Terrorismus. Er leitet das "Stein Progam on Counterterrorism and Intelligence" am Washingtoner Institute for Near East Policy.

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